Wie verhalten sich “Glaube” und “Haltung generell zueinander? Eine angemessene Antwort auf diese Frage  l\u00e4sst sich nur finden, wenn wir uns vergegenw\u00e4rtigen, was  mit “Glaube” und “Haltung” \u00fcberhaupt gemeint sein kann. Erst dann k\u00f6nnen wir jeweils aus der Perspekti-ve dessen, was Glaube meint, und aus der Perspektive dessen, was wir unter Haltung verste-hen, auf das wechselseitige Verh\u00e4ltnis schauen.<\/p>\n

1.<\/p>\n

Im Ausgang vom Glaubensbegriff l\u00e4sst sich festhalten: Der Akt des Glaubens ist selbst eine Haltung. Dies zeigt schon ein Blick auf die kantische Unterscheidung von Meinen, Glauben und Wissen. In dieser Trias meint “Glauben” ein festes subjektives \u00dcberzeugtsein von der Geltung eines Sachverhalts, auch wenn dieser Sachverhalt sich nicht objektiv \u00fcberpr\u00fcfen oder sich als objektiv wahr oder verl\u00e4sslich erweisen l\u00e4sst. Der Gegenstand des Glaubens ist mithin grunds\u00e4tzlich bezweifelbar. Er l\u00e4sst sich nicht gleichsam zwingend andemonstrieren oder in seinem Wahrheits- und Geltungsgehalt verl\u00e4sslich \u00fcberpr\u00fcfen.<\/p>\n

\n
• Das Moment des festen subjektiven \u00dcberzeugtseins unterscheidet die Haltung des “Glaubens” mithin vom blo\u00dfen “Meinen”.<\/li>\n
• Und die im letzten nicht gegebene \u00dcberpr\u00fcfbarkeit des trotzdem fest geglaubten Sachverhalts unterscheidet die Haltung des “Glaubens” vom “Wissen”.<\/li>\n<\/ul>\n

  Kurzum: Glaube als festes \u00dcberzeugtsein von und Festhalten an einem nicht objektiv \u00fcberpr\u00fcfbaren Sachverhalt ist mithin schon selbst eine Haltung.<\/p>\n

  Anzumerken ist freilich, dass die Haltung des Glaubens grunds\u00e4tzlich sehr unterschiedlichen Sachverhalten gegen\u00fcber eingenommen werden kann: es gibt religi\u00f6se, weltanschauliche, politische oder ideologische Glaubensinhalte, von denen der Einzelne fest \u00fcberzeugt sein kann. Es bleibt aber immer ein Moment der Unsicherheit: denn der Stachel der Nicht-\u00dcberf\u00fchrbarkeit des Geglaubten in objektivierbares Wissen droht die Haltung des subjektiven \u00dcberzeugtseins permanent in seiner Festigkeit aufzuweichen. Diese permanente Verunsicherung des Geglaubten l\u00e4sst sich jedoch zweifach kompensieren:<\/p>\n

  \n
  • Zum einen durch die Zugeh\u00f6rigkeit<\/strong> zu einer Glaubens- oder \u00dcberzeugungsgemeinschaft, in der gemeinsame Glaubens\u00fcberzeugungen geteilt werden. Diese<\/strong> verst\u00e4rken, verfestigen und stabilisieren sich dadurch.<\/li>\n
  • Zum anderen wird die Glaubw\u00fcrdigkeit<\/strong> dessen, wovon man fest \u00fcberzeugt ist, dadurch erh\u00f6ht, dass man sie zur Grundlage des eigenen und des gemeinschaftlichen Handelns macht, mithin Haltungen auspr\u00e4gt, die sich in konkreten Handlungs- und Verhaltensweisen niederschlagen. Freilich sollten diese sich dann<\/strong> als zutr\u00e4glich und hilfreich f\u00fcr den einzelnen wie f\u00fcr das Zusammenleben aller erweisen k\u00f6nnen. Kurzum: die Glaubw\u00fcrdigkeit des Geglaubten wird durch die Ausbildung darauf bezogener Haltungen und Verhaltensweisen gleichsam indirekt untermauert.<\/li>\n<\/ul>\n

     <\/p>\n

    2.<\/p>\n

    Bestimmt man das Verh\u00e4ltnis von Glaube und Haltung im Ausgang vom Begriff der Haltung, dann ist folgendes in Erinnerung zu rufen: Mit dem Begriff der Haltung ist das gemeint, was die Ethik seit Platon und Aristoteles “Tugend” nennt. Tugenden (wie \u00fcbrigens auch Untugenden und Laster) entstehen demnach durch Gew\u00f6hnung. Man k\u00f6nnte Tugenden definieren als eine durch fortgesetzte \u00dcbung erworbene Lebenshaltung, eine Disposition oder einen Habitus der emotionalen und kognitiven Kr\u00e4fte und F\u00e4higkeiten, das als richtig und gut Erkannte zu verfolgen, so dass es weder aus Zufall noch aus Zwang, sondern aus Freiheit, gleichwohl mit einer gewissen Notwendigkeit, n\u00e4mlich aus dem K\u00f6nnen und der Ich-St\u00e4rke einer sittlich gebildeten Pers\u00f6nlichkeit heraus geschieht.<\/p>\n

    Auch hier spielt der Zusammenhang zwischen festem \u00dcberzeugtsein und Haltung i.S. der Tugend eine wichtige Rolle. Denn – um ein Beispiel zu nennen – die Auspr\u00e4gung der Tugend Gerechtigkeit setzt das feste \u00dcberzeugtsein voraus, dass Gerechtigkeit ein wichtiger Wert ist, den es in den einzelnen Handlungen situativ zu realisieren gilt. Allerdings verbleibt dieses \u00dcberzeugtsein nicht im Zustand des Glaubens, sondern es l\u00e4sst sich – zumindest dem Anspruch nach – argumentativ begr\u00fcnden, mithin in Wissen \u00fcberf\u00fchren. Tugenden sind nach Aristoteles Haltungen, denen ein rational plausibilisierbares Wissen um die Werthaftigkeit dieser Haltung vorausgeht. Untugenden liegt daher immer auch ein mangelndes Wissen zugrunde. Also gen\u00fcgt blo\u00dfer Glaube, nur festes \u00dcberzeugtsein nicht, um Haltungen als richtig zu erweisen. Sie m\u00fcssen sich argumentativ<\/strong> vor dem Ricterstuhl gemeinsamer Vern\u00fcnftigkeit als richtig und werthaft ausweisen lassen.  Dies setzt daher nicht nur eine Glaubens-, sondern prinzipiell eine Wissensgemeinschaft voraus, in der um die Werthaftigkeit von Haltungen auch gestritten werden muss.<\/p>\n

     <\/p>\n

    3.<\/p>\n

    Zusammenfassend l\u00e4sst sich aus philosophischer Sicht das Verh\u00e4ltnis von Glaube und Haltung folgenderma\u00dfen bestimmen:<\/p>\n

    \n
    • Glaube ist selbst eine Haltung des festen, wenngleich nicht in Wissen \u00fcberf\u00fchrbaren \u00dcberzeugtseins, die zwangsl\u00e4ufig zu Haltungen im Sinne von Verhaltensweisen oder Tugenden f\u00fchren muss, um die Glaubw\u00fcrdigkeit der Glaubensinhalte unter Beweis zu stellen. Dies gilt f\u00fcr die festen \u00dcberzeugungen oder Glaubensinhalte des religi\u00f6s Glaubigen ebenso wie f\u00fcr den Atheisten und den Agnostiker, die in bestimmter Hinsicht ebenso Gl\u00e4ubige sind. Ihre festen \u00dcberzeugung schlagen sich in bestimmten Haltungen nieder, auch wenn sich diese \u00dcberzeugungen nicht in Wissen \u00fcberf\u00fchren lassen.<\/li>\n
    • Intellektuelle und sittliche Haltungen im Sinne der Tugenden dagegen setzen zwar immer ein festes \u00dcberzeugtsein von deren Geltung voraus, aber dieses \u00dcberzeugtsein beruht nicht nur auf Glauben, sondern damit wird der Anspruch verbunden, das eigene \u00dcberzeugtsein auch in objektivierbares Wissen \u00fcberf\u00fchren zu k\u00f6nnen. Daraus folgt: Plausibilisierbare Haltungen oder Tugenden, die Allgemeingeltung beanspruchen k\u00f6nnen, basieren nicht nur auf Glaube im Sinne des blo\u00df festen \u00dcberzeugtseins, sondern sie m\u00fcssen auch dem Anspruch des Wissens gen\u00fcgen, um als Haltung f\u00fcr den einzelnen wie f\u00fcr alle zutr\u00e4glich genannt werden zu k\u00f6nnen.<\/li>\n<\/ul>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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