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Gregor von Nyssa
Der griechische Kirchenvater und Bischof Gregor von Nyssa (ca. 338/9, gest. nach 394)
begründet die mit der Würde () bezeichnete einzigartige Sonderstellung des Menschen
mit seiner Gottebenbildlichkeit ( /imago dei) sowie mit der ihm als Vernunftwesen
gegebenen wie aufgegebenen Gottähnlichkeit ( /similitudo deo). Beide Motive,
die Gregor zumeist synonym verwendet, verdanken ihre inhaltliche Kontur nicht primär einer
Exegese alttestamentlicher (Gen 1,26) oder neutestamentlicher Bibelstellen (z. B. Röm 8,29),
sondern sie speisen sich aus dem platonischen Gedanken der möglichst großen Angleichung
an Gott als Zielbestimmung () eines tugendhaften Lebens
( , Theaitet 176b), der imitatio dei bzw. similitudo deo-Lehre
der stoischen Philosophie und der Auseinandersetzung mit der Lehre von der ekstatischmystischen
Wiedervereinigung der Seele mit Gott (unio mystica) im Neuplatonismus (Plotin,
Porphyrios, Boethius), Motivtraditionen, die modifiziert dann bei Philon von Alexandrien mit
dem Eikon-Motiv verbunden werden und in christlicher Brechung bei Clemens von
Alexandrien, Origenes und Basilius von Caesarea als Ideal der Nachfolge Christi begegnen
(vgl. Merki 1952). Folgt man Gregors Schrift über die Erschaffung des Menschen
( !”/De hominis opificio; MPG 44, 127-152), die insbesondere im
Mittelalter eine breite Rezeption genoss (Lampe 2001), dann ist der gottverwandte Geist des
Menschen so etwas wie die Manifestation der Gottebenbildlichkeit (149B. 137B/C. 161C.
185C), weil die Seele als das Abbild (#$% ! ) Teil am Urbild
( %&”‘) hat (136D-137C). Der ganze Mensch wurde ursprünglich in der
“ bzw. ( geschaffen (557C), so dass die Seele notwendig
zu Gott hingezogen wird. Ebenbildlichkeit und Ähnlichkeit zeigen sich dabei nicht nur im
Vernunftbesitz ( /)), sondern auch in allen damit verbundenen, das Wesen des
Menschen bestimmenden natürlichen und übernatürlichen Gaben, insbesondere seiner Freiheit
(“), die sich als Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Selbstmächtigkeit zeigt.
Weil der Mensch wie Gott aufgrund seiner Freiheit zur Herrschaft über alles
(“* +! ) berufen ist, spricht Gregor auch vom königlichen und erhabenen
Wesen der Seele wie von der „königlichen Würde“ (+, ) des Menschen
insgesamt. Sichtbare Zeichen dieser ebenbildlichen Königswürde, die auch über den
Sündenfall hinaus nicht gänzlich verlorengegangen ist, sondern durch das Charisma der
Imitation Christi als dem Urbild (%”) wieder in der Fülle des Guten
(“- . ). ) neu erworben werden kann, sind die Tugend (-), die
Unsterblichkeit ( ), die Gerechtigkeit (& /) und die Leidenschaftslosigkeit
(”) (137B/C). Sie erst machen die wahre Würde (177D) und Schönheit (161C) des
Menschen aus. Denn trotz des Sündenfalls sind der Geist des Menschen wie seine Freiheit,
mithin auch seine Königswürde, erhalten geblieben, so dass die ursprüngliche Ähnlichkeit des
Menschen mit Gott in einem mühsamen Prozess (vgl. Eph. 4,22; Kol. 3,9) zurückgewonnen
werden kann (256C: 0″ , %* ). Auch die wiederhergestellte Ebenbildlichkeit
ist kein unangefochtener Besitz. Voll wiederhergestellt wird sie erst nach dem Tod. Göttliche
und menschliche Seele verhaltenen sich dabei zueinander wie Urbild und Abbild: Sie sind
durch diesen Bezug ähnlich, aber als ungeschaffene und geschaffene Seele nicht wesensgleich
(184 C/185 B).
Bemerkenswert an Gregors Würdegedanken, dem es gelingt, griechisches Denken und
christliche Theologie miteinander zu versöhnen, und der eingebettet ist in die Transformation
einer starren Wesensmetaphysik hin zu einer genuin praktischen Metaphysik (Kobusch 2008),
ist nicht nur die anthropologische Zentralstellung der für die Würdeauszeichnung
konstitutiven Freiheit des Menschen sowie die daraus folgende Nichtfestgestelltheit und
Selbstgestaltung seines Wesens. Gregor nimmt auch Motive wie die Mittelstellung des
Menschen zwischen Gott und Tier und den Makrokosmos-Mikrokosmos-Vergleich vorweg,
die wirkmächtig dann wieder bei Pico della Mirandola begegnen und die neuzeitliche Sicht
der Würde des Menschen geprägt haben.
Literatur:
Gregorii Episcopi Nysseni Opera Omnia, in: Patrologia Graeca, Bd. 44 – 46, hg. v. J. P.
Migne, Paris 1857–1866 (= MPG).
Kobusch, Theo, Die Würde des Menschen – ein Erbe der christlichen Philosophie, in: Rolf
Gröschner, Stephan Kirste und Oliver W. Lembcke (Hgg.), Des Menschen Würde – entdeckt
und erfunden im Humanismus der italienischen Renaissance, Tübingen 2008, 235–250.
Lampe, Peter, Menschliche Würde in frühchristlicher Perspektive, in: Eilat Hermes (Hg.),
Menschenbild und Menschenwürde, Gütersloh 2001, 288-304.
Merki, Hubert, Homoiosis Theo. Von der platonischen Angleichung an Gott zur
Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa, Freiburg/Schweiz 1952.