window.dataLayer = window.dataLayer || []; function gtag(){dataLayer.push(arguments);} gtag('js', new Date()); gtag('config', 'UA-123759341-2');
Armin G. Wildfeuer
in: Julia Knop, Ursula Nothelle-Wildfeuer (Hgg.), Kreuz-Zeichen. Zwischen Hoffnung, Unverständnis und Empörung, Ostfildern (Matthias Grünewald Verlag) 2013, 213-233
Publication year: 2013

Für den metaphysischen Theisten wird die Botschaft vom Kreuz aus der Konsequenz seiner Vorannahmen, die im Kern dem kosmologischen Denken der Griechen, einer bestimmten Gestalt der platonisch-aristotelischen Metaphysik und des stoischen wie neuplatonischen Denkens sowie dem darauf bezogenen Konzept der Vernunft verpflichtet sind, immer eine unverständliche Torheit bleiben müssen. Die frühe philosophische Religionskritik, etwa eines Kelsos (spätes 2. Jh.) oder Porphyrios (um 233-301/5), war daher immer eine Kritik des aus der Perspektive des antiken Theismus als absurd erscheinenden christlichen Gottes, wie er sich in der Heiligen Schrift und im gekreuzigten Christus offenbart hat.[1] Die christliche Theologie versuchte dem anfänglich durch eine strikte Abgrenzung des Christentums von der Philosophie zu begegnen, indem sie die philosophische Absurdität ihres Denkens mit dem credo quia absurdum eines Tertullian (nach 150 – nach 220) betonte und dies geradezu als besondere Stärke des Glaubens hervorhob. Die denkerische Konsequenz des Theismus, der im Rückschlussverfahren aus den Werken Gottes auf deren göttlichen Ursprung schloss, war dagegen nicht nur für die Christen der Gemeinde von Korinth, sondern für die sich über die Jahrhunderte herausbildende christliche Theologie immer ein attraktiver und plausibler Weg der Gotteserkenntnis, zumal damit die Hoffnung verbunden war, die sperrige Botschaft des christlichen, sich in Christus offenbarenden Gottes intellektuell anspruchsvoll und in Anknüpfung an das beste Wissen der Zeit der Welt nachvollziehbar vermitteln zu können. Es lag daher nahe, der Kritik mit dem Nachweis der besonderen Kompatibilität des christlichen Gottes mit dem theistischen Gott zu begegnen letztlich in dem Bestreben, die christliche Theologie als die bessere Philosophie, als vera philosophia,[2] zu erweisen. Das augustinische „credo, ut intelligam“ ergänzt durch das „intelligo, ut credam“ sollte zudem das Problem der Unbegreiflichkeit des transzendenten Gottes der Christen lösen. Die Gefahr einer Usurpation des Gottes der Offenbarung durch den theistische Gottbegriff, die den am Kreuz leidenden Christus zur symbolischen Illustration des Gottes der Philosophen marginalisiert, ist freilich nicht von der Hand zu weisen.[3] Geschähe dies, dann würde die Offenbarung Gottes im gekreuzigten Christus überflüssig gewesen sein. Denn wie schon der Kirchenvater Irenäus von Lyon (um 135-202) eindringlich mahnt: „haben sie die Wahrheit erkannt, dann war es überflüssig, dass der Erlöser auf die Welt kam. Wozu kam er nämlich? Etwa um eine erkannte Wahrheit denen, die sie kennen, zur Erkenntnis zu bringen?“[4].

Eine starke Überformung der christlichen Theologie durch den Gottesbegriff des Theismus erweist sich nur solange für die Vermittlung als vorteilhaft, als die philosophischen Voraussetzungen, denen er seine Plausibilität verdankt, nicht zum stumpfen Schwert geworden sind. Dass dies mit der Philosophie der Neuzeit und der Moderne der Fall ist, zeigt sich nicht zuletzt an der Stoßrichtung ihrer Religionskritik. Ihr Gegenstand ist weniger der leidende Gott des Kreuzes als vielmehr der Gott des kosmologischen Theismus, dessen Erkenntnis sich dem Rückschluss aus den Werken auf den Schöpfer verdankt und sich im Resultat zur Vorstellung eines unwandelbaren, unveränderlichen, zeit- und geschichtsenthobenen, leb- und eigenschaftslosen, seinem Wesen nach wie dem Schicksal des Menschen gegenüber apathischen allmächtigen und gerechten Gott verdichtet. Gerade der Rückschluss auf Gott aus den Werken wird nämlich für die Frage nach der Plausibilität eines solchermaßen überhöhten Gottes dann problematisch, wenn die Welt nicht mehr als kohärenter Ordnungszusammenhang erfahren wird, sondern als Elend, Chaos und Wirrnis erscheint und die menschliche Existenz in ihr als tragisch, absurd und der permanenten Ungerechtigkeit ausgesetzt erlebt wird. Dass es angesichts der verworrenen Situation der Werke einen Gott überhaupt noch geben soll, daran stoßen sich alle Formen des modernen Atheismus, sei es kosmologische, der psychologische, der soziale und der politische. Der Atheismus ist daher, wie J. Moltmann (geb. 1926) zurecht festhält, der „Bruder des Theismus“[5]. Er ist, wie A. Camus (1913-1960) es ausdrückt, die „metaphysische Revolte“ [6] gegen den Theismus.

Auch taugt nur der theistische Gott in seiner transzendenten Überhöhung und Vollkommenheit zur Projektionsfläche aller Projektionstheorien, während diese angesichts eines leidenden, die Widersprüche der Welt in sich aufnehmenden Gottes am Kreuz ins Leere laufen. Auch die unlösbare Theodizeefrage entzündet sich nicht am leidenden Christus, sondern an der universalen Gerechtigkeit, die der allmächtige theistische Gott in der Welt ins Werk setzt. In der Moderne sind es solche Ungereimtheiten, die der metaphysische Theismus produziert, die seinen Gottesbegriff als die eigentliche Torheit erscheinen lassen, wogegen die Torheit des Kreuzes sich für die Deutung der existentiellen Situation des Menschen als neu zu entdeckende Weisheit erweist. Denn für den sich als frei erfahrenden Menschen der Neuzeit und der Moderne gebiert ein Gott, der seinem Wesen nach metaphysische Notwendigkeit und starre Ordnung ist, nur Ungereimtheiten. Warum also nicht versuchen, die Freiheit Gottes, die sich in Christus am Kreuz wie im geschichtlichen Handeln Gottes insgesamt dokumentiert, zumindest als philosophische Denkmöglichkeit des Gottesbegriffs ernst zu nehmen?[7]

[1]     Dazu neuerdings W. Schröder: Athen und Jerusalem. Die philosophische Kritik am Christentum in Antike und Neuzeit, Stuttgart-Bad Cannstatt 2011.

[2]     Dazu L. Honnefelder: Christliche Theologie als „wahre Philosophie“, in: C. Colpe u.a. (Hg.), Spätantike und Christentum, Berlin 1992, 55-75.

[3]     Dazu gegenüber dem Vorwurf der Hellenisierung der Theologie sehr vorsichtig: W. Pannenberg: Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie (1959), in: ders, Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen ³1979, 296-346.

[4]     Irenäus II, 14.7.

[5]     Dazu R. Moltmann: Der gekreuzigte Gott, München 1972, 205-214.

[6]     Vgl. A. Camus: Der Mensch in der Revolte (1951), Hamburg 1953, 28ff.

[7]     Dafür anregend H. Krings: Freiheit – ein Versuch, Gott zu denken, in: Philosophisches Jahrbuch 77 (1970), 225–237.

Diesen Beitrag empfehlen!