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Armin G. Wildfeuer
in: Internationale Katholische Zeitschrift Communio 45 (Juli/August 2016), 299-308 (GND: 124630375)
Publication year: 2016

Die Begriffe „Subjekt“ und „Subjektivität“, um die der Sache nach sich in Neuzeit und Moderne eine Philosophie des endlichen Vernunftsubjekts ausbildet, hatten im Denkraum des Katholizismus lange Zeit keinen guten Klang. „Zu Recht!“ werden die Verächter jeder Subjektphilosophie sagen, denn die Etablierung einer Philosophie des endlichen Vernunftsubjekts hat die Ablösung der Geltungsinstanzen Natur und Gott zur Voraussetzung. Dies muss aber zwangsläufig, so raunen sie, in „Subjektivismus“ und „Relativismus“ enden. Gegen das „velenum kantianum“[1] wird daher seit dem 19. Jh. die Neuscholastik als die „Philosophie der Vorzeit“[2] in Stellung gebracht. „Zu Unrecht!“ werden dagegen diejenigen sagen, die die Entdeckungsgeschichte des Subjekts kennen und diese im Rahmen einer Freiheitsgeschichte interpretieren. Sie warnen deshalb vor einem „salto mortale zurück ins Mittelalter“. Denn wie Dietrich Bonhoeffer zurecht anmerkt: „Das Prinzip des Mittelalters … ist die Heteronomie“[3]. Der Geltungsanspruch des endlichen Vernunftsubjekts dagegen wird vorrangig mit seiner Autonomie begründet, die darin besteht, aus Freiheit Ordnungen des Erkennens und Handelns allererst setzen zu können, ja aus Ermangelung anderer nicht-heteronomer Orientierungsgrößen sogar zu müssen.

Mit „Subjekt“ ist daher in der Neuzeit primär eine Geltungsinstanz gemeint (1.). Sie löst den Gott der philosophierenden Theologen als Geltungsinstanz ab, der selbst als das „absolute Vernunftsubjekt“ schlechthin gedeutet wurde. Seine spekulative Ausdeutung im Rahmen der mittelalterlichen Metaphysik bleibt jedoch weitgehend Denkmustern des antiken Intellektualismus verhaftet. Dieser lässt für den Freiheitsanspruch des endlichen Vernunftsubjekts keinen Raum (2.) Es sind genuin theologische Problemanzeigen und spiritualitätsgeschichtliche Motive, die im Spätmittelalter zu einer Neubegründung der Metaphysik unter nominalistisch-voluntaristischem Vorzeichen führen. Der neue Gedanke der Freiheit und Allmacht Gottes leitet einerseits das Ende des mittelalterlichen Ordo-Denkens ein, er macht andererseits den Weg allererst frei für das neuzeitliche Subjektdenken (3). Das moderne Subjektverständnis hätte nicht zu seinem spezifischen Profil und seinem neuzeitlichen Rang ohne diesen „christlichen“ Entdeckungszusammenhang gefunden. Mehr noch: die in der Offenbarung Gottes in Christus sich zeigende Freiheitsverheißung findet erst in der neuzeitlichen Deutung des Menschen als eines endlichen, wenngleich autonomen Vernunftsubjekts eine angemessene philosophische Resonanz.

[1] G. Mattiussi, Il veleno Kantiano, Rom 1907 (2. Aufl. 1914).

[2] J. Kleutgen, Die Philosophie der Vorzeit, Innsbruck 1878.

[3] D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, hg. v. E. Bethge (Brief vom 17.7.1944), München 1970, 393f.

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