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  • Vortrag 28. Dezember 2023

    Kennzeichen der Moderne. Dier vielen Moderne-Begriffe und ihre Entwicklungslogik

    ``Aufbruch in die Moderne. Kunst und Kultur von der Jahrhundertwende bis zur Weimarer Republik``, Festlicher Jahreswechsel, Thomas Morus Akademie/Bensberg, 19./20. August 2023

Der Begriff „Moderne“ wird seit dem Spätmittelalter gebraucht, um das Ergebnis des historischen Übergangs von etwas Altem, das seine Plausibilität verloren hat, zu etwas Neuem, das der Zeit angemessener erscheint, zu bezeichnen. Aus geistesgeschichtlicher Perspektive findet dieser Übergang mit der Renaissance statt, aus ökonomischer mit der Industrialisierung, aus politischer mit der Französischen Revolution im späten 18. und dem Nationalismus im frühen 19. Jahrhundert, aus literatur- und kunstgeschichtlicher Perspektive im ausgehenden 19. Jahrhundert als ästhetische Moderne. Die Ambivalenzen der Moderne finden ihren begrifflichen Niederschlag, etwa in der Rede vom „Ende der Moderne“ bzw. der „Postmoderne“. Die vielen Moderne-Narrative folgen aber einer gemeinsamen Entwicklungslogik, die mit der Freiheitsgeschichte der Neuzeit zu tun hat.

  • Vortrag 19. August 2023

    Das Eigentliche des Menschen. Der Seelenbegriff in Philosophie und Geistesgeschichte/Metaphysische Verhältnisbestimmungen: Seele - Leib - Geist

    ``Konstrukt oder Wirklichkeit? Die Seele``, Akademietagung der Thomas Morus Akademie/Bensberg, 19./20. August 2023

Die Rede von der Seele des Menschen hat heute nicht nur seine Selbstverständlichkeit, sondern auch seine Klarheit verloren. Mit dem Begriff wurde ursprünglich ein immaterielles Prinzip bezeichnet, ohne dessen Annahme die Identität eines Individuums im Wandel der Zeit schlichtweg nicht denkbar war. Im nachmetaphysischen Zeitalter ist die Seele im Sinne der „Psyche“ nur mehr ein Sammelbegriff für die Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge
im Menschen, die dem empirisch wahrnehmbaren Verhalten als zugrundeliegend gedacht werden müssen.

Die Frage bleibt: Bezeichnet der Begriff Seele etwas Reales oder ist das mit ihm Gemeinte ein bloßes Konstrukt, das sich dem Kohärenzbedarf psychologischer Theoriebildung verdankt?

Die Vorträge der Veranstaltung gehen dieser Frage aus den Perspektiven der Philosophie, der Theologie, der Psycholo- gie und der praktischen Seelsorge nach.

  • Vortrag 1. August 2023

    Societas perfecta - societas defecta - societas imperfecta oder der Beitrag der Religion zum Gelingen des politischen Gemeinwesens. Staatsphilosophische Perspektiven

    Religion und Politik. Sommerakademie Südtirol/Italien v. 30.7. - 5.8.2023

  • Vortrag 21. Juni 2023, 20-21.30 Uhr, Kölner Dom

    Das Licht der Erkenntnis. Wegmarken der Philosophiegeschichte

    Veranstaltung ``Mehr Licht! Impulse aus Architektur, Philosophie und Theologie``

Ein wesentliches Gestaltungsmerkmal des gotischen Domes ist das Licht. Die Auflösung der Wandflächen in Fenster, die leuchtenden Glasmalereien, lassen eine bewusste Lichtführung erkennen, die dem Raum eine faszinierende Dramaturgie gibt. Symbolik und Metaphorik des Lichtes werden sichtbar.

Das Zusammenspiel von Deutungen aus Architektur und Kunst, Philosophie, Theologie und Glaube, erschließt den Kölner Dom aus einer neuen und ungewohnten Sicht. Wir laden Sie herzlich ein, im stillen, abendlichen Dom Glaubens- und Licht-Zeichen zu entdecken und zu erleben. Musikalische, kunsthistorische und spirituelle Impulse werden zu Wegweisern.

  • Vortrag 15. Mai 2023, 19.30 - 21.00 Uhr

    Scheitern als Chance. Die Auskunft der philosophischen Anthropologie

    Kathedralforum Dresden, 15. Mai 2023

Spätmoderne Gesellschaften sind durch Hyperkomplexität aller Lebensverhältnisse geprägt. Das Individuum ist daher einer permanenten Überforderungs- und Ernüchterungssituation ausgesetzt. Dennoch wird die Möglichkeit des Scheiterns aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt, das Eingeständnis eigenen Scheiterns tabuisiert und der Umgang mit dem Gescheiterten durch Verweis auf die Zuständigkeit der bestehenden professionellen Hilfesysteme ghettoisiert. Denn es gehört zum Programm, verbleibende Kontingenzen möglichst aktiv durch soziotechnische und ökonomistische Interventionen auflösen oder zumindest an den Rand schieben zu wollen.

Weil die Hoffnung besteht, auch das Scheitern mit fortschreitender Zivilisation prinzipiell vermeiden zu können, wird das konkrete Scheitern zum schicksalhaften, in der Bedeutung für das menschliche Leben insgesamt vernachlässigbaren Rest zivilisatorischer Existenz degradiert und in seiner generellen Bedeutung für das Ganze der menschlichen Existenz ausgeblendet. Dies verkennt, dass Menschsein und Scheitern unweigerlich zusammengehören. Denn die Fähigkeit zu scheitern ist nichts anderes als endliche Freiheit und endliche Vernunft einerseits als Gabe, andererseits als Aufgabe zu besitzen.

  • Publikation 2023

    Pädagogisches Handeln als Praxis. Abgrenzende Überlegungen im Anschluss an Aristoteles

    in: Harald W. Kuypers (Hg.), Pädagogisches Handeln. Festschrift für Prof. Dr. Volker Ladenthin (= Pädagogik in Europa in Geschichte und Zukunft / Pedagogy in Europe: The Past and The Future, Band 22), Bonn 2023, 161-174.

Erziehung und Bildung des Menschen ereignen sich nicht von selbst, sondern sind das Resultat menschlichen Tätigseins. Im Fall der Erziehung durch Pädagogen von Profession ist dieses Tätigsein ein zielgerichtet- planmäßiges und wird „pädagogisches Handeln“ genannt. Was darunter prinzipiell und im Konkreten zu verstehen ist und welche Kompetenzen dafür erforderlich sind, das hat der akademische Pädagoge Volker Ladenthin umfänglich und auf höchstem Reflexionsniveau erläutert. Dem akademischen Philosophen bleibt da nicht mehr viel. Seine spezifische Kompetenz kann er bestenfalls dadurch zur Geltung bringen, dass er die eigene pädagogische Inkompetenz durch Flucht ins Allgemeine und Prinzipielle zu kompensieren versucht. Eine im Sinne der „Inkompetenzkompensationskompetenz“ (O. Marquard) geeignete allgemein philosophische Fragestellung, deren Beantwortung zumal möglichen Fehldeutungen pädagogischen Handelns vorbeugen könnte, wäre es zu klären, welcher Art humanen Tätigseins die Tätigkeit des Pädagogen prinzipiell zuzurechnen ist bzw. an welchem Tätigkeitstyp sie Maß nehmen muss, um ihr spezifisches Handlungsziel zu erreichen. Dieses Handlungsziel besteht darin, werdenden sittlichen Vernunftsubjekten den Gebrauch ihrer Freiheit und die Ausbildung ihrer endlichen Vernünftigkeit mithilfe pädagogischer Methoden und Verfahren so zu ermöglichen, dass sie in der Lage sind, ihr sich immer unter komplexen naturalen wie sozialen Existenzbedingungen vollziehendes Leben in einer Weise zu führen, dass die durch Wissens-, Könnens- und Haltungsvollzüge gleichermaßen konstituierte Lebenspraxis mit Blick auf die Verantwortung sowohl gegen sich selbst als auch gegenüber den Mitmenschen als gelungene Selbstwerdung des Individuums betrachtet werden kann. Kurzum: Erziehung wie Bildung haben die zunehmende Ermöglichung individuell gelingender Lebens-„Praxis“ zum Ziel. Denn, so schon Aristoteles, der Vollzug menschlichen Lebens ist wesentlich durch Tätigsein, durch „Praxis“ in einem holistisch-anthropologisch umfänglichen Sinn gekennzeichnet. Solche Lebens-„Praxis“ hat die „Tauglichkeit“ der Fähigkeiten des Individuums auf drei Tätigkeitsfeldern zur Voraussetzung: die Tauglichkeit des Intellekts für Theorie (kognitive Bildung, Wissensbildung, Theoriefähigkeit), die des Könnens für Kunstfertigkeit bzw. Poiesis (Herstellungs- und Machenskompetenz) und die des Charakters für die moralisch-sittliche Praxis (sittliche Bildung, Haltung, Moralfähigkeit).

Angesichts der Überlegungen des Aristoteles, dass sich jedes konkrete Tätigsein immer einem der drei genannten Tätigkeitstypen, mithin entweder der Theorie (θεωρία), der Poiesis (ποίησις) oder der Praxis (πρᾶξις), zuordnen lassen muss, weil sich erst aus dieser Zuordnung das jeweilige Anforderungsprofil des konkreten Tätigseins ergibt, ist es nicht trivial zu fragen, welchem dieser Tätigkeitstypen pädagogisches Handeln folgen muss, um zielführend zu sein. Nach einer knappgehaltenen Erläuterung der drei basalen aristotelischen Tätigkeitstypen (1.) sollen daher im Folgenden insbesondere die Tätigkeitsformen ‚Poiesis‘ (2.) und ‚Praxis‘ (3.) in ihren Eigentümlichkeiten erläutert und auf ihre Adäquatheit für pädagogisches Handeln hin befragt werden. Dabei wird sich zeigen, dass eine Reduktion von pädagogischer Praxis auf Poiesis diese Adäquatheitsforderung verfehlt. Die Zuordnung pädagogischen Handelns zum Tätigkeitstyp der Praxis hat folgenden für dessen Kompetenzprofil (4.).

Aktuelles

Link zum Text auf academia.edu

  • Publikation 2023

    ``Neo-Thomism``

    in: The Encyclopedia of the Bible and Its Reception (EBR), ed. by Constance M. Furey, Joel LeMon, Brian Matz, Thomas Römer,· Jens Schröter,· Barry Dov Walfish,· Eric Ziolkowski, Verlag Walter de Gruyter, Berlin-New York, Bd. 21, 111-116.

  • Publikation (im Erscheinen) 2023

    ``Wille`` - in ethischer Perspektive,

    in: M. Bobbert/J. Sautermeister (Hrsg.), Handbuch Psychologie und Ethik, Springer-Verlag (im Erscheinen).

  • Publikation (im Erscheinen) 2023

    Resilienz und Normativität. Zur Debatte um die philosophisch-ethische Anschlussfähigkeit des Resilienzkonzepts

    in: Sammelband (Reihe ``Religion und Gesundheit``, Bd. 4) Kohlhammer-Verlag (im Erscheinen).

  • Abendvortrag 7. Febr. 2023, 19.30 Uhr

    Europa und das ``Christliche Abendland“

    Domforum Köln

Europa lässt sich vielfältig aussagen. Nur durch Bezug auf eine Pluralität von Europabegriffen machen auch die vielfältig vorkommenden Narrative, in denen von Europa die Rede sein kann, Sinn, weil sie eben nur den Gehalt eines ganz bestimmten Europabegriffs oder einer ganz bestimmten Perspektive auf Europa erzählbar auf den Punkt bringen. Anstößig ist die Möglichkeit einer Pluralität von Europa-Begriffen und Europa-Narrativen freilich für diejenigen, die an einem Einheitsbegriff von Europa festhalten wollen und dies durch ein Einheits- und Exklusivnarrativ zu stützen versuchen. Dieses Narrativ geht von den Wurzeln Europas aus, idealisiert um der wurzelgegründeten Einheitlichkeit der Erzählung willen alle darauf beziehbaren Geschichtsverläufe, zieht daraus dann normative Folgerungen für die Zukunft Europas und desklariert all dies zum Identitätskern Europas und der Europäer. Beispielhaft liegt ein solcher Einheitsbegriff von Europa etwa der 2018 veröffentlichten „Pariser Erklärung“ einer Gruppe bedeutender christlicher Denker zugrunde. Allein schon der Titel „Ein Europa, wo(ran) wir glauben können“ lässt erkennen, dass für sie das „wahre Europa“ und das „Christliche Abendland“ Synonyme sind und der Sache nach in eins fallen müssen. Der Gedanke eines „wahren Europa“ ist freilich mehr etwas fürs Herz als für den Verstand. Denn dieser fordert, dass Gedanken zumindest „clare et distincte“ vorgestellt werden können müssen und nicht „confuse et obscure“ sein dürfen, um überhaupt Ausgangs- und Bezugspunkt vernünftiger Überlegungen sein zu können. René Descartes Minimalanforderung an vernünftige Vorstellungen am Beginn der Neuzeit lassen sich jedoch mit keinem Einheitsbegriff von Europas erfüllen, wie dessen realpolitische Wirkungslosigkeit, der beständige Streit darum und erst recht dessen ideologische Instrumentalisierbarkeit vermuten lassen. Aber wie, so ist zu fragen, lässt sich der Europabegriff dann in seiner Vielfalt kohärent aussagen, um dieser geschichtsklitternden Einheitsfalle zu entgehen?

Es lassen sich drei Begriffe von Europa unterscheiden, die alle „clare et distincte“ expliziert werden können: 1. ein geographischer Europabegriff, 2. Europa als ein sinnstiftender religiös-kultureller Referenzbegriff, und 3. ein Europabegriff, der für ein politisches Projekt steht. Die drei Europa-Begriffe sind nicht ineinander überführbar und nicht deckungsgleich verwendbar – weder in ihrem räumlichen Bezug noch in ihrer Genese und erst recht nicht ihrer Zwecksetzung nach.

Aktuelles

Link zum Blogbeitrag

Texte des Vortragenden zum Thema:
Text 1  Text 2

  • Philosophisches Seminar 4./5. Nov. 2022

    „Der Mensch ist frei geboren …“ Freiheitsdimensionen und ihre Gefährdungen

    Thomas-Morus-Akademie, Bensberg, Philosophisches Seminar 4./5. November 2022

“Der Mensch ist frei geboren, und liegt doch überall in Ketten”, so lautet der Einleitungssatz des ersten Kapitels der 1762 erschienen Schrift “Vom Gesellschaftsvertrag” von J.-J. Rousseau  (1712-1778). Diese für einen Aufklärungsphilosophen sicherlich ernüchternde Erkenntnis hat an ihrer Aktualität nichts eingebüßt. Denn der Satz führt ins Zentrum der Freiheitsproblematik: Zum einen ist Freiheit eine anthropologische Auszeichnung. Sie hebt den Menschen aus dem Kontinuum der Natur heraus und begründet seine Sonderstellung. Sie ist für sein Selbstverständnis und sein Handeln konstitutiv sowie neben der Würdeauszeichnung nach J. Locke  (1632-1704)  die basalste politische Gleichheitsbedingung aller Menschen. Zum anderen ist Freiheit permanent und vielfältig gefährdet: Der Mensch lebt gesellschaftlich und politisch gesehen in zahlreichen vielfach als Zwang erfahrenen Bindungen. Die Ketten können dabei nicht nur äußerer, sozialer und politischer, sondern auch innerer, psychischer, selbst neuronaler Natur sein. Es mag daher Situationen geben, die uns daran zweifeln lassen, dass Freiheit mehr ist als eine bloße Illusion und der Freiheitsanspruch mehr als nur eine vergebliche Hoffnung.

Wir alle kennen solche Zweifel und suchen nach Gewissheiten. Das Seminar beschäftigt sich daher historisch wie systematisch mit dem Freiheitsbegriff sowie den unterschiedlichen Dimensionen und Gefährdungen von Freiheit mit dem Ziel, das Freiheitsverständnis auf ein plausibles argumentatives Fundament zu stellen.

  • Publikation 1.4.2022

    Beratung - eine philosophisch-ethische Grundlegung,

    in: T. Hoff und R. Zwicker-Pelzer (Hrsg.): Beratung und Beratungswissenschaft (Reihe: Kompendien der Sozialen Arbeit, Bd. 1), 2. erw. Aufl. , Baden-Baden (Nomos) 2022, 59-74.

Der Text beschäftigt sich mit den philosophisch-ethischen Grundlegungsfragen, die allererst ein umfängliches Verständnis jedes Beratungshandelns erlauben sowie den engen Zusammenhang von Ethik und Beratung plausibel machen. Denn Beratung lässt sich als Hilfeleistung durch Dialog auf der gemeinsamen Suche nach einer Antwort auf die Frage „Was soll ich tun?“ verstehen. Die Frage „Was soll ich tun?“ wird insbesondere in der Situation professioneller Beratung zur gemeinsam zu lösenden Frage desjenigen, der Rat sucht, und desjenigen, der den Ratsuchenden berät. Ebenso lässt sich Ethik als Disziplin der Philosophie als Typ methodisch gesicherter Beratung begreifen, insofern sie als wissenschaftlich fundierte Reflexion sittlicher Abwägungsprozesse eine generelle Antwort auf die Frage gibt: „Was soll ich tun?“ Beratung ist daher, so die Argumentation, von ihrem Kern und ihrer Bestimmung her praktisch-sittliche Konkomitanz, d. h. ein Geschehen, das die Urteils- und Entscheidungsfindung des Ratsuchenden zum Ziel hat, der hierfür den Weg des praktisch-sittlichen Diskurses mit einem anderen sittlichen Subjekt wählt, dessen Aufgabe es ist, dem Ratsuchenden bei der Abwägung der für die Vorbereitung der Entscheidung zu berücksichtigenden Aspekte behilflich zu sein, und zwar der Intention nach im Sinne eines von Vernunft und Erfahrung geleiteten Alter Ego.

  • Publikation 23.3.2022

    Geschichte, Problematik und Aktualität der Werttheorie

    in: Thomas Mikhail (Hg.), Werterziehung: Grundlagen und Handlungsorientierungen (Grundfragen der Pädagogik, Band 24), Frankfurt, 117-166.

Die Rede von „Werten“ hat Hochkonjunktur in allen Bereichen des Lebens. Denn Werte, so formuliert es ein Nachrichtenmagazin, sind gleichsam „das moralische Navigationsgerät des modernen Menschen“. Sie führen „durch den Irrgarten der Möglichkeiten“, gelten als „eiserne Reserve“, sind „die erbaulichen Grundüberzeugungen der Civil Society“, „das Allerheiligste des redlichen Bürgertums, auch Zeitgenossen teuer, die sonst mit Gähnen auf Moralisches reagieren.“ (Bauer 2006, 101)

Die quasi selbstverständliche und inflationär-ubiquitäre Verwendung des Wertbegriffs für alles, was uns „lieb und teuer“ (vgl. Ritsert 2013) ist, kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff zumeist recht unbestimmt und von seinem Bedeutungsgehalt her durchaus schillernd verwendet wird. Dies hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass der Begriff „Wert“ – wie die vielfältig mögliche Verwendbarkeit zeigt – ein hoch abstrakter Sammelbegriff oder gar ein modern-postmoderner „Container-Begriff“ ist, in den Vieles und Vielartiges, prima vista Zusammenhangloses, wie in einen Container hineingeworfen werden kann: das Wahre, Gute und Schöne, aber auch Familie, Ehre, Treue, Gerechtigkeit, Gesundheit, Reichtum, Freiheit, Leben, Nation, Glaube, Gewissenhaftigkeit, Wahrheit, Bildung, Kultur, Gold und Geld. Hinzu kommt das ungeklärte Geltungsproblem, weil es einerseits Werte zu geben scheint, deren Werthaftigkeit nur für einige, und andererseits auch Werte, deren Werthaftigkeit für alle evident ist. Auf den ersten Blick jedenfalls lässt die Rede von Werten wie auch der Wertbegriff in seiner allfälligen Verwendung im Unklaren, was er alles unter sich versammelt, was seine Kontur und seinen Inhalt (Intension) ausmacht und wo die Grenzen seiner korrekten Verwendbarkeit liegen, mithin, wie seine Reichweite (Extension) genau zu bestimmen ist. Gerade die empirische Sozialforschung, die mehr an einer historisch-zeitdiagnostischen Momentaufnahme des von den vielen Subjekten tatsächlich Erstrebten, als an einer Klärung des zentral zugrunde gelegten Begriffs interessiert ist, scheint sich diese Unbestimmtheit in ihren Werteerhebungen (etwa zum Wertewandel) geradezu methodisch zunutze zu machen. Wo aber inhaltliche Präzision ersetzt wird durch die Intuition in einen bloß unterstellten, vermeintlich von allen gleichermaßen verstandenen Begriffsinhalt, und wo infolgedessen auch nicht danach gefragt werden kann, worin die Werthaftigkeit eines Wertes begründet ist, da verliert ein Begriff gerade das, was er leisten soll: nämlich Orientierung zu geben im Umgang mit Gegenständen, Handlungen, Qualitäten, Ereignissen, Situationen und Vorkommnissen.

Es braucht daher nicht zu verwundern, dass man der allpräsenten „Tyrannei der Werte“ (Schmitt 1967; ferner Schmitt/Jüngel/Schelz 1979; Straub 2010) überdrüssig ist. „Wer Wert sagt“, so C. Schmitt, „will geltend machen und durchsetzen. Tugenden übt man aus; Normen wendet man an; Befehle werden vollzogen; aber Werte werden gesetzt und durchgesetzt. Wer ihre Geltung behauptet, muss sie geltend machen. Wer sagt, dass sie gelten, ohne dass ein Mensch sie geltend macht, will betrügen.“ (Schmitt 1967, 55)

Soll an die Stelle der grassierenden „Axiophilie“ nicht einfach „Axiophobie“ treten, und will man die Rede von Werten nicht einfach unter Ideologieverdacht stellen (so etwa bei Gaßmann 2014 und Coelln 1996), dann muss sich die Philosophie selbst um eine präzise Begriffsbe­stimmung im Rahmen einer Theorie der Werte mühen, um „den Wert der Werte“ (vgl. Altmann 2010; Breitsameter 2009; Dettling 2007; Guretzky 2007; Werner 2002) begründungstheoretisch einsichtig zu machen. Denn der Begriff ist mit Blick auf seine metaphysische Gründungsgeschichte und seine auf dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte durchaus problematischen Definitionsfähigkeit mit einer Vielzahl von historischen wie systematischen Problemen belastet (1.). Eine Rekonstruktion der philosophiegeschichtlichen Stationen, in denen sich seit dem 19. Jahrhundert die Konstitution des Wertbegriffs und die Theoriebildung im Feld der Wertphilosophie bzw. Werttheorie vollziehen, kann daher Licht in diesen komplexen Problemzusammenhang bringen (2.), der in der Frage nach dem Geltungsanspruch und dem Realitätsstatus von Werten kulminiert (3). Dass der Wertbegriff einen schwierigen theoretischen Status hat, weil es sich weder unmittelbar erschließt, was Werte sind, noch ob es sie überhaupt gibt, das braucht nicht zu verwundern. Was es aber mit den Werten auf sich hat, ob sie abstrakte Gegenstände oder Eigenschaften meinen, ob sie objektiv oder subjektiv, d. h. unabhängig, gar absolut, oder abhängig von und relativ zu unserer Wertschätzung existieren, und welche sinnstiftende Funktion sie haben, setzt eine Untersuchung der Logik der Wertzuschreibung voraus, wonach sich Werte als notwendig zu denkende Strebenskorrelate bestimmen lassen, die anhand ihres Bezuges zu den Tätigkeitsfelder menschlicher Praxis in ein System objektiver Werte gebracht werden können (4.). Auch wenn die Rede von Werten eine hohe Interpretationsoffenheit bei sich führt, so ist doch festzuhalten, dass es gerade die anthropologische Funktion von Wertorientierungen ist, sinnhafte Korrelate von menschlichen Strebungen zur Verfügung zu stellen, anhand deren sich Weltorientierung und Weltveränderung einsichtig machen lässt (5.). Eine tentativ-definitorische Bestimmung des Wertbegriffs kann mithin nicht am Anfang dieser Darlegungen stehen, sondern ergibt sich erst in deren Verlauf.

  • Eröffnungsvortrag 21.3.2022

    Lecture: Ethics transform us/La ética nos transforma

    Vortrag am 21.3.2022 zur Eröffnung der Woche ``Ethics and Law: Ethics Week`` der Legal and Social Sciences School at Rafael Landivar University of Guatemala (Law Faculty), 21.-25. März 2022

„Ethik verändert und verwandelt uns“, so lautet das Thema, zu dem ich gebeten wurde, heute am Beginn Ihrer Ethik-Woche einige Gedanken als Philosoph und philosophischer Ethiker beizutragen. Das Thema ist als These, als Behauptung, formuliert, zu der es auch eine Gegenthese gibt, die dann etwa lauten könnte:
·      Die Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen verändert uns nicht.
·      Sie trägt nichts bei zur Entwicklung weder unserer persönlichen Moralkompetenz noch einer spezifischen Berufs- oder Professionskompetenz.

Denn, so das Argument, unser Gewissen sage uns schon, was richtig oder falsch, gut oder böse ist. Bislang seien wir schließlich damit auch gut durchs Leben gekommen. Und auch für unsere spätere berufliche Tätigkeit dürfte es ja wohl auch vollkommen ausreichen, wenn wir uns gewissenhaft an die beruflichen Regeln, die Gesetze und wissenschaftliche Erkenntnisse halten. Welche wichtige Veränderung soll da Ethik noch bringen?

Würden diese Argumente zutreffen, dann wäre die kommende Ethik-Woche, die heute eröffnet wird, tatsächlich eine vertane Zeit für uns alle. Diesen Einwänden setze ich in meinem Vortrag folgende These entgegen, nämlich dass Ethik diejenigen nachhaltig verändert, die sich mit ihr wie überhaupt mit ethischen Fragestellungen methodisch angemessen und rational anspruchsvoll beschäftigen. Ich erläutere meine These in drei Schritten: 

·      In einem ersten Schritt schlage ich Ihnen eine einfache Definition von Ethik vor, mit der wir weiterarbeiten können.
·      In einem zweiten Schritt werde ich Ihnen die Komponenten, aus denen sich diese Definition zusammensetzt darlegen und nach der Orientierungs- und Transformationsleistung von Praxis, Ethos und Ethik fragen.
·      Schließlich werde ich in einem dritten Schritt nach den spezifischen ethischen und moralischen Kompetenzen fragen, die wir gleichsam als Transformationsertrag erlangen, wenn wir uns mit Ethik beschäftigen.

  • Vortrag 15.1.2022

    Zur Phänomenologie der Natürlichkeit

    Vortrag am 15.1.2022 im Rahmen der Veranstaltung ``Tanz - Natur - Kultur. Bildung für nachhaltige Entwicklung``, 6. Fachtagung der Reihe ``Tanz in der Kindheit``, Köln

Die Rede von Natürlichkeit und dem Natürlichen begegnet in vielen Bereichen des Lebens: wir sprechen etwa von einer natürliche Sprache, einer natürlichen Weltanschaung, einer natürliche Intelligenz, eine natürlichen Wahrnehmung, und einer natürliche Bewegung. Natürlichkeit ist eine Kategorie in der Kunst, in der Linguistik, aber auch ein Argument in der Ethik (heutzutage zumal der Bioethik), im Recht und in der Ökologie. Dem Natürlichen gegenüber ist das Künstliche der Gegenbegriff. Freilich geben wir dem Natürlichen gegenüber diesem in der Regel den Vorzug. Man könnte sogar von einem basalen „Natürlichkeitsbonus“ sprechen.

Ich will diesem Phänomen unabhängig von den einzelnen Anwendungsfeldern des Begriffs nachgehen. Dazu beschäftige ich mich in einem ersten Schritt mit den primären Bedeutungsdimensionen von Natürlichkeit, dann in einem zweiten Schritt mit den positiven Konnotationen der Natürlichkeitsintuition und in einem dritten Schritt mit den Gründen für den bereits erwähnten „Natürlichkeitsbonus“.

Seit Menschen denken, machen sie sich Gedanken über das Verhältnis von Wandel und Kontinuität. Von Heraklits griffiger Formel panta rhei („alles fließt“) über René Descartes Vorstellung der Welt als res extensa, die sich allen Veränderungen entzieht, bis zur modernen Vorstellung des „Unterwegsseins“ (z.B. bei Martin Heidegger oder Gabriel Marcel) prägt die Auseinandersetzung mit dem Werden, Entstehen und Vergehen unser Denken. Aber auch dieses Denken unterliegt dem Wandel.

Welche Phasen und Wegmarken, Kehrtwenden und Umbrüche lassen sich im philosophierenden Umgang mit Wandel und Kontinuität ausmachen?

Aktuelles

„Demokratie“ im Sinne der Herrschaft des Volkes ist ein politischer Hoffnungsbegriff, an den hohe Erwartungen geknüpft sind. Von daher braucht es nicht zu verwundern, dass kaum ein politisches Regime sich nicht als demokratisch bezeichnet. Dies gilt nicht nur für die traditionell demokratischen Länder der westlichen Welt, sondern auch für autoritäre Herrschaftssysteme in Asien, Afrika und Lateinamerika wie auch für die zusammengebrochenen realsozialistischen „Volksdemokratien“ Mittel- und Osteuropas.
Weil der Begriff „Demokratie“ selbst wenig aussagekräftig ist und sich leicht ideologisch instrumentalisieren lässt, bleibt er erläuterungsbedürftig. Derzeit wird von vielen Seiten zudem eine Krise der Demokratie konstatiert. Für die einen ist sie am Ende und nicht mehr zu retten, die anderen suchen nach Möglichkeiten, sie weiterzuentwickeln.
Das Seminar beschäftigt sich historisch und systematisch mit den unterschiedlichen Legitimationsdiskursen der Demokratie auf der Suche nach dem normativen Fundament wie dem Gesamtethos dieser Herrschafts- und Lebensform.

Aktuelles
Aktuelles
  • Handbuchartikel September 2021

    Art. Anthropologie

    in: Ralpg-Christian Amthor, Brigitta Goldberg, Peter Hansbauer, Benjamin Landes, Theresia Wintergerst (Hrsg.): Kraft/Mielenz - Wörterbuch Soziale Arbeit. 9. Aufl., Weinheim (Beltz Juventa) 2021, 66-68

Aktuelles

Nach dem Konzil von Trient (1545-1563), mit dem die Katholische Kirche auf die Forderungen und Lehren der Reformation reagiert, geht von Rom eine bemerkenswerte „gegenreformatorische“ Aufbruchsbewegung aus. In ihrem Zentrum stehen eine neue Auseinandersetzung mit den Wissenschaften (Collegio Romano), ein neues Bemühen um die Priesterausbildung (Seminar-Idee) und die Pastoral (Katechismus, Philipp Neri), eine neuen Musikkultur der Liturgie (Palästrina) sowie überhaupt ein neues kulturelles Selbstverständnis (Barock). Erstmals ist das päpstliche Rom nicht nur (kirchen-)politisches Zentrum des Katholizismus, sondern auch dessen geistig-geistlicher Mittelpunkt. Die Jesuiten spielen dabei eine ausschlaggebende Rolle.

Aktuelles
  • Publikation Mai 2021

    „Sapientis est ordinare“. Die ordnungsstiftende Kompetenz des Weisen – ein Gang durch die Philosophiegeschichte in systematischer Absicht

    in: Thomas Möllenbeck / Ludger Schulte (Hrsg.), Weisheit – Spiritualität der Menschheit, Münster (Aschendorff Verlag) 2021, 151-191.

Philosophie stellt den Bezug zur Weisheit bereits in ihrem Namen (philo-sophia) her. So selbstverständlich dies ist, so spannungsgeladen ist deren Verhältnis. Denn Philosophie und Weisheit sind Korrespondenz- und Reibungsbegriffe gleichermaßen. Es mag daher auf den ersten Blick verwundern oder eben nicht, dass sich seit der Neuzeit der bis dahin konstitutive Zusammenhang von Philosophie und Weisheit zunehmend auflöst bis dahin, dass es die Philosophie seit dem 19. Jahrhundert weit von sich weist, mit Weisheit überhaupt in einen Zusammenhang gebracht zu werden (1.) Unter den Bedingungen der Moderne ist es daher schwierig, über historische Aussagen hinaus Auskunft über das zu geben, was mit Weisheit aus Sicht der Philosophie gemeint ist und wie sie philosophisch zu verstehen ist.

Dieser misslichen Situation ist nur dadurch zu entgehen, dass man versucht, die innere Logik dieses Auflösungsprozesses zu rekonstruieren, um die Möglichkeiten einer heutigen Rede von Weisheit auszuloten. Bei diesem philosophiegeschichtlichen Rekonstruktionsversuch zeigt sich, dass Weisheit und Vernunft eine Symbiose eingegangen sind. Zum Wesen der Vernunft gehört es, kohärente Ordnungen zu erkennen und ggf. Ordnungen allererst zu stiften, wobei von Ordnung immer dann gesprochen werden kann, wenn Differentes zu einer Einheit verbunden ist. In der Geschichte der Philosophie wird Weisheit, Vernunft und Geordnetheit von drei Vernunftinstanzen ausgesagt: von Gott (als absoluter Weisheit), von der Welt (als objektiv gewordener Weisheit oder kosmischer Weisheit) und vom Menschen (als subjektiv-endlicher Weisheit). Weisheit wird diesen Instanzen deshalb zugeschrieben, weil sie – wenngleich in je unterschiedlicher Weise – über Vernunft verfügen, die wir immer dort vermuten, wo wir begründet eine Ordnung im Sinne einer Einheit von Differentem unterstellen können. Weisheit ist mithin eine Syntheseleistung. Und Aufgabe des Weisen ist es, Ordnung zu stiften (2.).

Der Auflösungsprozess von Philosophie und Weisheit erweist sich auf diesem Hintergrund nicht als zufälliger Betriebsunfall der Philosophiegeschichte, sondern folgt einer Logik, die sich aus den wandelnden Inbeziehungsetzungen der drei Vernunft- und Weisheitsinstanzen ergibt. In der Antike kommt dem Kosmos als Weisheitsinstanz der Primat zu; im Mittelalter der absoluten Weisheit Gottes und in der Neuzeit dem endlichen Vernunftsubjekt. Sein sich zunehmend steigernder Anspruch auf Freiheit jedoch, der sich als philosophiegeschichtlich-neuzeitlicher Reflex auf einen „Betriebsunfall“ des Spätmittelalters, die Übersteigerung des Theorems der Allmacht Gottes, lesen lässt, verträgt sich schlussendlich nicht einmal mehr mit der Bindung an irgendein Weisheitsideal (3.). Soll Weisheit in diesem „Kommerzium der Freiheit“ (Hermann Krings) als Orientierungsgröße noch eine Chance haben, dann muss sie als Kompetenz bestimmt werden, das unter Freiheitsbedingungen fast Unmögliche zu leisten, nämlich Ordnung und Ordnungen aus Freiheit zu stiften: „Sapientis est ordinare!“

Aktuelles

Mit Blick auf den Zusammenhang von Geschwisterlichkeit und Versöhnung bietet die Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus bemerkenswert interessante Analysen, die gerade mit Blick auf eine Logik der „horizontalen“, d.h. zwischenmenschlichen Versöhnung von Seiten des Lehramtes neu sind. Um dieses Neue ermessen zu können, ist ein kurzer Blick in die langen Geschichte der diesbezüglichen Lehräußerungen der Päpste und Konzilien angeraten (1.). Auf diesem Hintergrund können mögliche Differenzierung im Verständnis von Versöhnung in den Blick genommen werden (2.). Mithilfe der Enzyklika sollen anschließend die einzelnen Schritte rekonstruiert werden, die nach Franziskus einem gelungenen Versöhnungshandeln unverzichtbar zugrunde liegen müssen (3.), damit die intendierten Wirkungen von Versöhnung eintreten, nämlich der soziale Friede durch real gewordene Geschwisterlichkeit und die Manifestation sozialer Freundschaft (4.).

Aktuelles

Die Philosophie der Frühen Neuzeit (ca. 1450-1700) war davon geprägt, im Hohen Alter und im Altern ein Problem zu sehen. Euphorisiert dagegen waren Humanismus und Renaissance von der Lebenskraft und Schönheit der Jugend. Den Beschwernissen des Alters trat die Zeit einerseits mit der Hoffnung entgegen, eines Tages mithilfe der Fortschritte der Wissenschaft das Alter verjüngen, zumindest aber hinauszögern und damit das Leben verlängern zu können. Andererseits versuchte die frühneuzeitliche Moralistik dem Problem des Alters nicht technisch-wissenschaftlich, sondern moralisch mit lebensklugen Verhaltensregeln zu begegnen. In der Zeit zwischen dem 18. Jahrhundert, mithin dem Zeitalter der Aufklärung, und der Philosophie der nachhegelschen Epoche, die in der Philosophiegeschichtsschreibung gemeinhin mit dem Beginn der Moderne um die Mitte des 19. Jahrhunderts gleichgesetzt wird, setzt der philosophische Altersdiskurs neue Akzente. Vor dem historischen Hintergrund der Blüte neuzeitlicher Wissenschaft und Kultur, dem Fortschrittsoptimismus und dem Entstehen der Demokratie in Frankreich und Amerika erweist sich die Aufklärungszeit als eine Epoche der höchsten Altenschätzung und Alterswürdigung, in der das Alter “auf der Höhe des Ansehens” steht (1.).  Im Zeitalter der Romantik und des Deutschen Idealismus, in denen die Philosophie bestrebt, Naturentwicklung, Menschheitsgeschichte, Indi-vidualgeschichte und Hierarchie der Bewusstseinsformen in eine immanente Verbindung zu stellen und die Gegensätze von Freiheit und Natur, Kultur und Biologie aufzulösen, veröffentlichen Philosophen, Psychologen und Mediziner mehrfach Darstellungen und Deutungen der menschlichen Lebensentwicklung und in ihr auch der Altersphase. Eine mechanistische Sicht des Lebens, wie sie seit der dualistischen Anthropologie R. Descartes’ (1596-1650) den neuzeitlichen Altersdiskurs und dessen Trennung von physischen und psychischen Alterseigenschaften bestimmt hat, wird durch den dynamisch konzipierten Organismusgedanken abgelöst, wie ihn F.W.J. Schelling (1775-1854) entworfen und wie er wirkmächtig die Altersmedizin des 19. Jahrhunderts geprägt hat.  Mit seiner Hilfe läßt sich Altern erstmals an-gemessen als prozessuales Geschehen begreifen (2.). Der philosophische Altersdiskurs ist in der nachhegelsche Zeit einerseits durch die Diversifizierung und wissenschaftliche Ausdifferenzierung des Altersdiskurses, andererseits durch die Erfindung der Altersweisheit durch A. Schopenhauer (1788-1860) sowie das Wiederaufleben des antiken Alterstrostes gekennzeichnet (3.).  Ab der Aufklärung begegnet die Rede von “Lebensaltern” vermehrt auch als geschichtsphilosophische Metapher zur Deutung historischer Prozesse (4.)

Aktuelles

Die Frühe Neuzeit (ca. 1450 – 1700) betrachtet das hohe Alter insgesamt skeptisch. Peter Borscheid sieht es zwischen 1350 und 1700 „als Fluch“ und im „Tal der Verachtung“. Tatsächlich stehen Humanismus und Renaissance wie auch ihre Leitbilder, der Höfling und der Humanist, unter dem Primat der Jugend (1.). Angesichts die-ser Konstellation braucht es nicht zu verwundern, dass mit dem frühneuzeitlichen Fortschritt der Wissenschaften in Naturphilosophie und Medizin immer auch die Hoffnung verbunden ist, Möglichkeiten der effektiven Lebensverlängerung zu finden, wenngleich die Utopien der Zeit dieses Thema weitgehend ausblenden (2.). Die Frühneuzeitliche Moralistik des 17. Jahrhunderts sieht im Altern und im Alter, die beide als Teil der natürlichen Ordnung hinzu-nehmen sind, primär eine moralische Aufgabe (3). Damit bereitet sie den Humanismus des Vernunftrechts in der frühen Aufklärung vor, der nicht nur milde auf das Alter schaut, sondern eine Zeit der Hochschätzung des hohen Alters einleitet.

Aktuelles

Begriff und Konzept der Resilienz haben seit Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zuerst in der Ökologie, dann in der Entwicklungspsychologie und schließlich in den Sozialwissenschaften eine steile Karriere gemacht. Ihr Reiz liegt u.a. in der Hoffnung, dass Natur- und Gesellschaftsforscher nun näher zusammenrücken und die Disziplinengrenzen zwischen deskriptiv-empirischen Naturwissenschaften und den Human- und Sozialwissenschaften, die sowohl in ihrer Theorie- wie Begriffsbildung auf deskriptiv-präskriptive bzw. empirisch-normative Mischkonzepten fußen (dazu Ahrens/Beer/Bittlingmayer/Gerdes 2011), in einem multidisziplinären Diskurs (dazu Wink 2016; Thorén 2014; Karidi/Schneider/Gutwald 2018) überwinden.

Auch für den Resilienzbegriff gilt – ebenso wie für seine Gegenbegriffe Vulnerabilität, Fragilität, Störanfälligkeit oder Prekarietät – dieser deskriptiv-normative Mischcharakter der Verschränkung von Faktischem und Normativem. Denn für Resilienzbegriff als „Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts“ gilt, so Ulrich Bröckling: „Schlüsselbegriffe, in denen sich die Signatur einer Zeit paradigmatisch verdichtet, sind selten rein deskriptiv. […] Resilienz ist ein Grenzbegriff, der zwischen analytischer Beschreibungskategorie und normativer Handlungsorientierung changiert und gerade durch seine Mehrdeutigkeit zwischen wissenschaftlichen Disziplinen und Praxisfeldern vermitteln und auf diese Weise Plausibilität und politische Wirkmächtigkeit gewinnen kann.“ (Bröckling 2017; vgl. Brand/Jax 2007)

Der folgende Beitrag rückt die Frage nach der Bedeutung der normativen Dimension des Resilienzkonzepts in den Mittelpunkt. Deren Beachtung wird zwar immer wieder angemahnt und deren zentrale Stellung für ein adäquates Gesamtverständnis von Resilienz immer wieder betont, aber deren explizite Bearbeitung – sieht man von Fällen ab, wo Resilienz selbst zur normativen Forderung etwa im politischen Bereich wird (z.B. Pavlova/Romanova 2019) – nur relativ selten systematisch in Angriff genommen (wie etwa bei Keessen/Hamer/van Rijswick/Wiering 2013; Thorén/Olsson 2018; Nida-Rümelin/Gutwald 2016; Schneider/Vogt 2017). Wie bedeutsam diese Klärung freilich für die Plausibilität des Resilienzkonzepts insgesamt ist, das zeigt sich u.a. auch daran, dass die vermutete Nicht-Normativität des Resilienzdenkens dazu führt, normative Ersatzkonzepte anzustoßen.[1]

Der Frage nach den normativen Implikationen der Resilienzidee wird im Folgenden in drei Schritten nachgegangen:

  • In einem ersten Abschnitt ( Systemresilienz und generelle Normativität: ein analytischer Blick auf den Resilienzbegriff) wird gefragt, in welcher Weise von Resilienz als von einem normativ-deskriptiven Mischkonzept gesprochen werden kann und inwiefern die Anwendung des Konzepts sowohl im naturalen wie im humanen Bereich prinzipiell nicht ohne starke normative Annahmen auskommt.
  • Ein zweiter Abschnitt ( Humane Resilienz und spezielle Normativität: Normative Implikationen und Grundlagen individuumszentrierter Resilienz) widmet sich der Frage nach den normativen Ansprüchen, die sich aus anthropologischen Basisannahmen für die Anwendung des Resilienzdenkens im humanen Bereich ergeben. Deren unbedingt geforderte Beachtung machen Resilienz von menschlichen Individuen allererst sinnvoll aussagbar.

Ein dritter Abschnitt (3. Resilienz und historische Normativität: Die Anschlussfähigkeit des Resilienzdenkens an die Tradition philosophisch-ethischer Theorie-bildung) geht der Frage nach der „historischen“ Normativität des Resilienzdenkens nach, mithin der Frage, inwiefern sich die Resilienzidee als anschlussfähig erweist an in der Geistes- und Ethikgeschichte begegnende normativ-ethische Theorieansätze.

[1] So etwa das Konzept des „Social Futuring“. Dazu  Csák (2018) und Szántó/Aczél/Csák/Ball (2020).

Seit der Renaissance fällt der neuzeitlich-endlichen Vernunft des Menschen die Aufgabe zu, „Neues“ und noch nicht dagewesenes „Ideales“ als Utopie, Dystopie, Eutopie, Atopie oder Heterotopie zu entwerfen, um sich in der Gestaltung der menschlichen Verhältnisse daran orientieren zu können. Dabei macht das utopische Denken eine bemerkenswerte Entwicklung durch: von einem zuerst örtlichen über ein zeitlich-geschichtliches bis hin zu einem „positiven“ Utopieverständnis im 20. Jahrhundert.

  • Publikation April 2021

    „Sapientis est ordinare“. Die ordnungsstiftende Kompetenz des Weisen – ein Gang durch die Philosophiegeschichte in systematischer Absicht

    in: Thomas Möllenbeck / Ludger Schulte (Hgg.), Weisheit. Die Spiritualität der Menschheit, Münster (Aschendorff Verlag), 151-191.

Philosophie stellt den Bezug zur Weisheit bereits in ihrem Namen (philo-sophia) her. So selbstverständlich dies ist, so spannungsgeladen ist deren Verhältnis. Denn Philosophie und Weisheit sind Korrespondenz- und Reibungsbegriffe gleichermaßen. Es mag daher auf den ersten Blick verwundern oder eben nicht, dass sich seit der Neuzeit der bis dahin konstitutive Zusammenhang von Philosophie und Weisheit zunehmend auflöst bis dahin, dass es die Philosophie seit dem 19. Jahrhundert weit von sich weist, mit Weisheit überhaupt in einen Zusammenhang gebracht zu werden (1.) Unter den Bedingungen der Moderne ist es daher schwierig, über historische Aussagen hinaus Auskunft über das zu geben, was mit Weisheit aus Sicht der Philosophie gemeint ist und wie sie philosophisch zu verstehen ist.

Dieser misslichen Situation ist nur dadurch zu entgehen, dass man versucht, die innere Logik dieses Auflösungsprozesses zu rekonstruieren, um die Möglichkeiten einer heutigen Rede von Weisheit auszuloten. Bei diesem philosophiegeschichtlichen Rekonstruktionsversuch zeigt sich, dass Weisheit und Vernunft eine Symbiose eingegangen sind. Zum Wesen der Vernunft gehört es, kohärente Ordnungen zu erkennen und ggf. Ordnungen allererst zu stiften, wobei von Ordnung immer dann gesprochen werden kann, wenn Differentes zu einer Einheit verbunden ist. In der Geschichte der Philosophie wird Weisheit, Vernunft und Geordnetheit von drei Vernunftinstanzen ausgesagt: von Gott (als absoluter Weisheit), von der Welt (als objektiv gewordener Weisheit oder kosmischer Weisheit) und vom Menschen (als subjektiv-endlicher Weisheit). Weisheit wird diesen Instanzen deshalb zugeschrieben, weil sie – wenngleich in je unterschiedlicher Weise – über Vernunft verfügen, die wir immer dort vermuten, wo wir begründet eine Ordnung im Sinne einer Einheit von Differentem unterstellen können. Weisheit ist mithin eine Syntheseleistung. Und Aufgabe des Weisen ist es, Ordnung zu stiften (2.).

Der Auflösungsprozess von Philosophie und Weisheit erweist sich auf diesem Hintergrund nicht als zufälliger Betriebsunfall der Philosophiegeschichte, sondern folgt einer Logik, die sich aus den wandelnden Inbeziehungsetzungen der drei Vernunft- und Weisheitsinstanzen ergibt. In der Antike kommt dem Kosmos als Weisheitsinstanz der Primat zu; im Mittelalter der absoluten Weisheit Gottes und in der Neuzeit dem endlichen Vernunftsubjekt. Sein sich zunehmend steigernder Anspruch auf Freiheit jedoch, der sich als philosophiegeschichtlich-neuzeitlicher Reflex auf einen „Betriebsunfall“ des Spätmittelalters, die Übersteigerung des Theorems der Allmacht Gottes, lesen lässt, verträgt sich schlussendlich nicht einmal mehr mit der Bindung an irgendein Weisheitsideal (3.). Soll Weisheit in diesem „Kommerzium der Freiheit“ (Hermann Krings) als Orientierungsgröße noch eine Chance haben, dann muss sie als Kompetenz bestimmt werden, das unter Freiheitsbedingungen fast Unmögliche zu leisten, nämlich Ordnung und Ordnungen aus Freiheit zu stiften: „Sapientis est ordinare!“

  • Publikation April 2021

    Zerbrochene Geschwisterlichkeit und die Logik horizontaler Versöhnung

    in: Ursula Nothelle-Wildfeuer und Likas Schmitt (Hrsg.): Unter Geschwistern? Die Sozialenzyklika Fratelli tutti: Perspektiven – Konsequenzen – Kontroversen, Freiburg i. Br. (Herder) 2021, 86-104.

Mit Blick auf den Zusammenhang von Geschwisterlichkeit und Versöhnung bietet die Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus bemerkenswert interessante Analysen, die gerade mit Blick auf eine Logik der „horizontalen“, d.h. zwischenmenschlichen Versöhnung von Seiten des Lehramtes neu sind. Um dieses Neue ermessen zu können, ist ein kurzer Blick in die langen Geschichte der diesbezüglichen Lehräußerungen der Päpste und Konzilien angeraten (1.). Auf diesem Hintergrund können mögliche Differenzierung im Verständnis von Versöhnung in den Blick genommen werden (2.). Mithilfe der Enzyklika sollen anschließend die einzelnen Schritte rekonstruiert werden, die nach Franziskus einem gelungenen Versöhnungshandeln unverzichtbar zugrunde liegen müssen (3.), damit die intendierten Wirkungen von Versöhnung eintreten, nämlich der soziale Friede durch real gewordene Geschwisterlichkeit und die Manifestation sozialer Freundschaft (4.).

  • Publikation Januar 2021

    Idea and Function of Science in a Globalized World

    in: Hans Hobelsberger (ed.): Social Glocalisation and Education Social Work, Health Sciences, and Practical Theology Perspectives on Change (= Schriften der KatHO NRW, Band 34) , Opladen (Budrich) 2021, 251-266

This book discusses the local effects of globalisation, especially in the context of social work, health and practical theology, as well as the challenges of higher education in a troubled world. The more globalised the world becomes, the more important local identities are. The global becomes effective in the local sphere. This phenomenon, called ‘glocalisation’ since the 1990s, poses many challenges to people and to the social structures in which they operate.


All of us, I expect, agree that education, knowledge and science are goods that have a special role to play in a globalised world.  Because knowledge und science are the preconditions to make a common interpretation of the world and a common communication about the the natural and human processes in it possible. A reliable common interpretation of the world is on the one hand a prerequisite, but on the other hand also an effect of globalization. It is a precondition for global communication, the globalization of technology, economy and politics. Therefore, a functioning world society will not only be a global economic community, it must be a global knowledge society, a community of understanding.

The precondition for this is to have a common setting of knowledge resources. Therefore, it is very important to deal with the idea of science and its function in a globalized world. Universities as places of science play a decisive role in this setting. Science in the strict or ideal sense is universal and claims reliability for everyone. Scientific knowledge is independent of time and space. It is global in the best sense, never local, we think. And the question arises: Can the concept of glocalization even be applied to the idea of science? My answer will be: Yes! Because the dialectic of global and local aspects plays a decisive role for the function of scientific knowledge and science.

Although scientific knowledge is always global in its claim and science can be regarded as the primordial phenomenon of globalization, the idea of a “glocalization” of knowledge and science is less reflected by science itself. But it can be assumed that “glocalization” also plays a decisive role in the process of generating und disseminating not only of knowledge, but especially of scientific knowledge. Scientific knowledge and science have always been global, because scientific findings claim to be universally valid. But the generation of knowledge is always local, as is its generation, interpretation, application, implementation and utilization. In addition, local is necesarrily the organizational form or institutionalization of science as university, higher education institution or research institute. And real and local are the problems and challenges which science tries to resolve. That is why it has to be said that in a globalized world the function of scientific knowledge and science is well explained only by considering the dialectics of global and local aspects.

In the following, I will briefly address the concept of glocalization in a first approach (1.) explaining the common understanding of glocalisation to find for first starting points to what extent one can speak of a glocalization of knowledge and science.

In a second section (2.) I dedicate myself to the phenomenon of the natural globalization of general knowledge based on experience. The dynamic of the globalization of general experiential knowledge can be described as a non-linear process for which global and local, intrinsic and extrinsic factors play an important role and allow today to speak of a “knowledge society” that is more and more not only a national but also a global one. Therefore, we can speak of a future “global knowledge society”

Thirdly, we have to distinguish between the natural globalisation of experiential knowledge and the globalisation of scientific knowledge or science (3.) Knowledge as scientific knowledge or science can be seen as a shortening of the complex process of normally slow globalization of experiential knowledge. Science is, so to speak, the institutionalized form of the natural process of knowledge globalization. This has advantages and disadvantages. The most important disadvantage is that scientific knowledge as a result is always abstract, global, homogeneous in its claims, but not concrete or local, and therefore not heterogeneous. Therefore, science must first artificially produce and simulate the natural dialectic of global and local. It must make the local to an object of reflection to produce and generate knowledge which has a local impact.

The academic place of this artificial generation of the dialectic of global and local are the higher education institutions and universities.

In conclusion, I would like to show which tasks and challenges science and universities they have to fulfil so that we can speak of them as places of glocalization of knowledge. I do this in form of 7 short theses which intend to be selfevident as result – I hope – of my speech.

Aktuelles
  • Publikation Dez. 2019

    The Moderne Democratic Constitutional State as a Protective Order of Freedom

    in: Peace Studies of Religions 1/1 (Dez. 2019), 63-82

The modern democratic constitutional state sees itself primarily as the protective order of human freedom, as a guarantor of human rights. The state is at the service of freedom. That is why it is not the state, but man as a person and the society formed by him that is at the center of the political order. The democratic constitutional state, as the political organization of society for the attainment of the common good, must guarantee the freedom of society, i.e. the persons and communities of persons living and working together in it, and give it an order as good as possible. I try to explain this in four sections: A first section (1) deals with three fundamentally possible concepts of state that have been discussed and problematized in the course of the history of philosophy. In a second chapter (2), I take a look at the goals and tasks of the modern constitutional state, which is oriented towards the ethos of human rights. In a third chapter (3) I will explain to what extent the state must always serve freedom. It is this, my last paragraph (4) says, that makes it possible to speak of democracy as an order of peace. In the appropriate places I will also talk about the appropriate role religion can play within a modern democratic constitutional state.

Aktuelles
  • Vortrag 22. Oktober 2020

    Scheitern – typisch menschlich! Die Auskunft der philosophischen Anthropologie

    Vortrag im Agricolaforum Chemnitz

Spätmodernen Gesellschaften sind durch Hyperkomplexität aller Lebensverhältnisse geprägt. Obgleich das Individuum mit Blick auf das Gelingen seines Lebens dadurch einer permanenten Überforderungs- und Ernüchterungssituation ausgesetzt ist, wird die Möglichkeit des Scheiterns aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt, das Eingeständnis eigenen Scheiterns tabuisiert und der Umgang mit dem Gescheiterten durch Verweis auf die Zuständigkeit der bestehenden professionellen Hilfesysteme ghettoisiert. Denn es gehört zum Programm spät-moderner Gesellschaften, verbleibende Kontingenzen möglichst aktiv durch etatistische, soziotechnische und ökonomistische Interventionen beseitigen und rational auflösen oder zumindest an den Rand schieben zu wollen. Weil die Hoffnung besteht, auch das Scheitern mit fortschreitender Zivilisation in den Griff zu bekommen, wenn nicht gar prinzipiell vermeiden zu können, wird das konkrete Scheitern zum schicksalhaften, in der Bedeutung für das menschliche Leben insgesamt vernachlässigbaren Rest zivilisatorischer Existenz degradiert und in seiner generellen Bedeutung für das Ganze der menschlichen Existenz ausgeblendet.

Dies verkennt freilich, dass Menschsein und Scheitern, wie uns die philosophische Anthropologie lehrt, unweigerlich zusammengehören. Denn die Fähigkeit zu scheitern ist nichts anderes als die Kehrseite dessen, was den Menschen als Vorzug auszeichnet, nämlich endliche Freiheit und endliche Vernunft.

  • Publikation Febr. 2020

    Die Fragilität von Ordnungen als Preis der Freiheit. Vom Ordo-Gedanken des Mittelalters zu den Ordnungskonzeptionen der Moderne

    in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 96 (1/2020) - forthcoming

Der Begriff ›Ordnung‹ ist nicht nur ein Grundbegriff der Philosophie, er ist auch in allen Bereichen unseres Lebens präsent. Für einen denkerischen Zentralbegriff hat der Ordnungsbegriff freilich eine selten wechselvolle Problemgeschichte hinter sich, die ihn aufgrund der Spannung mit dem Freiheitsbegriff fast bis zum Ausschluss aus dem philosophischen Diskurs geführt hat. Diese Spannung, die auch noch hinter der heutigen Rede von der prinzipiellen Fragilität aller Ordnungen steckt, resultiert aus der vordergründigen Unvermittelbarkeit von mittelalterlichem Ordnungsdenken und neuzeitlich-modernem Freiheitsdenken (1). Auf dem Hintergrund einer systematischen Explikation des Ordnungsbegriffs, der eine enge Verbindung mit dem Vernunftbegriff und seinen Zuschreibungsinstanzen Gott (›absolute Vernunft‹), Welt (›objektive Vernunft‹) und Mensch (›subjektiv-endliche Vernunft‹) eingeht (2), lassen sich die geistesgeschichtlichen Epochenumbrüche in der Dialektik von Freiheit und Ordnung als Problemzusammenhang bis in die Moderne nachzeichnen. Diese zumindest schematische Rekonstruktion ist notwendig deshalb, weil sie gleichzeitig die Lösungsstrategie der Vermittlung von Freiheit und Ordnung zugunsten der konstitutiven Funktion von Freiheit für jede Ordnungssetzung zeigt und die heutige Rede von der Fragilität aller Ordnungen plausibel macht. Denn die Fragilität von Ordnungen, deren Geltung die Setzung aus Freiheit zur Voraussetzung hat, ist gleichsam, wie sich unter Zuhilfenahme der transzendentalen Freiheitsphilosophie von Hermann Krings darstellen lässt, der Preis der Freiheit, den wir zahlen müssen, um Ordnung und Freiheit zusammendenken zu können (3). Den Fallstricken der Auflösung der Dialektik von Freiheit und Ordnung, etwa der Absolutsetzung der Freiheit auf Kosten der Ordnung oder umgekehrt der Absolutsetzung des Systems auf Kosten der Freiheit, versucht Krings im Anschluss an Kant und Fichte mit einer Philosophie der endlichen Freiheit zu entgegnen. Denn Freiheit als unbedingte, aber immer endliche Freiheit kann sich als Freiheit nur erhalten, sofern sie sich ordnet. Und Ordnung schlägt nur dann nicht in ein heteronomes Zwangssystem um, sofern sie Ordnung aus Freiheit ist.

Aktuelles
  • Publikation Dez. 2019

    Die Philosophie der Gegenwart - Spuren einer genealogischen Rekonstruktion

    in: Lebendiges Zeugnis 74 (2019/4), 42-55

Auf den ersten Blick scheint die Philosophie der Gegenwart keine einheitliche Fragestellung zu besitzen. Bei genauerer Betrachtung und unter Einbeziehung ihrer Vorgeschichte jedoch wird in der Vielzahl ihrer Ansätze und Strömungen ein ähnliches Anliegen sichtbar, das aus der Grundlagenkrise der Philosophie am Beginn des 20. Jahrhunderts resultiert. In deren Verlauf wurden alte Gewissheiten aufgelöst. Das wichtigste Krisensymptom ist der Verlust des Subjekts, das sich mühsam seinen Platz als autonome Geltungsinstanz im Laufe der Philosophie der Neuzeit und Moderne erkämpft hatte (Krings 1987; Schnädelbach 1992; dazu Wildfeuer 2016), ein Verlust, der aus einer Depotenzierung der Vernunft als der wichtigsten Bezugsgröße einer bis zum Ende des Deutschen Idealismus im Kern logozentrischen Philosophie resultiert. Auflösungserscheinungen des neuzeitlichen selbstbewussten und schöpferischen Ichs und seiner Vermögen zeigten sich freilich schon im 19. Jahrhundert. Denn die Vernunft als Leitinstanz bekam Konkurrenz vom Drang des Willens, den Trieben, der Sinnlichkeit und der Geschichte. Dies führte im 20. Jahrhundert nicht nur zum fast völligen Verschwinden des Subjekts, sondern auch zum Ende des Traums von der Philosophie als einer exakten Wissenschaft, wie ihn noch der Neukantianismus des 19. Jahrhunderts träumte. Philosophie verstand sich nun zunehmend als Orientierungswissenschaft, deren Deutung von Welt und Mensch die praktische Absicht und die Relevanz für das Leben angesichts einer zunehmend komplexer werdenden Welt nicht verbergen kann. Anstelle des Subjekts tritt nun die Sprache und die sprachlich vermittelte „Lebenswelt“ in den Mittelpunkt. Dies gilt für beide Hauptströmungen der Philosophie des 20. Jahrhunderts: sowohl für die vor allem in der angelsächsischen Welt verbreitete analytische Philosophie, deren wichtigste Schlüsselfigur Wittgenstein (1889-1951) ist, als auch für die primär geschichtlich-lebensweltlich orientierte Richtung der Philosophie, die kontinentaleuropäisch ist und als deren Schlüsselfigur Martin Heidegger (1889-1976) gelten kann.
Wer die Philosophie der Gegenwart verstehen will, muss daher ihre Vorgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert verstanden haben (Bedorf und Gelhard 2015; Graeser 2002; König 2014; Nida-Rümelin und Özmen 2012; vgl. etwa Rentsch 2019; Ruffing 2014). In diesem Prozess begreift sich Philosophie zunehmend nicht mehr als Hüterin ewiger Wahrheiten, sondern, so könnte man sagen, als kritische Zeitgenossin der Lebenswelt.

  • Publikation Dez. 2019

    Ordnung aus Freiheit und um der Freiheit willen: Zur Freiheitsphilosophie von Hermann Krings

    in: Lebendiges Zeugnis 74 (2019/3), 25-34

Hermann Krings (2013-2004) war einer der renommiertesten Vertreter einer von I. Kant und J.G. Fichte, später dann F.W.J. Schelling inspirierten Transzendentalphilosophie im 20. Jahrhundert. Für ihn, der während seiner Studienjahre in München in engem Kontakt mit dem Geschwister-Scholl-Kreis stand, wurde das Thema Freiheit zum Zentrum seines Nachdenkens (vgl. Baumgartner et al. 1979). Insbesondere war ihm die Vermittlung von christlicher Theologie und neuzeitlichen Freiheitsdenken ein besonderes Anliegen, wenngleich ihm der Begriff einer dezidiert „christlichen Philosophie“ zurecht als ein „hölzernes Eisen“ erschien. Für Kirche und Theologie muss, so seine Überzeugung, „Freiheit als Chance“ (Krings/Simons 1972) begriffen werden. Denn das Freiheitsdenken eröffnet eine neuen „Versuch Gott zu denken“ (Krings 1970; vgl. Krings 1986, 1995; sowie Krings/Simons 1973). Die Philosophie von Hermann Krings inspirierte nicht unwesentlich den Ansatz der sog. „Autonomen Moral“ (A. Auer, F. Böckle u.a.) mit und fand auch in der Freiheitstheologie von Thomas Pröpper (Pröpper 1983, 2012) und seiner Schüler einen wirkmächtigen Niederschlag.

  • Vortrag 9. Dez. 2019

    ``Sapientis est ordinare``. Zur ordnungsstiftenden Kompetenz des Weisen - ein Gang durch die Philosophiegeschichte in systematischer Absicht

    Dies academicus der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster

Weisheit wird in der Geschichte der Philosophie von drei Instanzen ausgesagt: von Gott (als absoluter Weisheit), von der Welt (als objektiv gewordener Weisheit) und vom Menschen ( als subjektiv-endlicher Weisheit). Weisheit manifestiert sich im Mittelalter in der aus der Beziehung dieser drei Instanzen sich ergebenden Vernunftordnung (ordo). Ausgelöst durch den Gedanken der Allmacht Gottes, der zur Grundlage des spätmittelalterlichen Nominalismus und seines Voluntarismus wird, geht die Autorenschaft für jede Vernunftordnung in der Neuzeit auf den Menschen als dem „secundus deus“ über. Dessen Weisheit manifestiert sich jetzt in der willentlichen Setzung vernünftiger, wenngleich endlicher und damit immer fragiler Ordnungen der Lebenswelt, der Wissenschaft, der Moral und des Staates. Denn unter den Bedingungen des neuzeitlichen Freiheitsverständnisses, das den Primat der praktischen Vernunft zur Voraussetzung hat, kann sich Weisheit nur mehr in der synthetisierenden Kompetenz des freien, wenngleich endlichen Vernunftsubjekts als prinzipiell unabschließbare Vermittlung von Einheit und Differenz zeigen. Was aber, wenn – wie in der Moderne – das Instrument der Vermittlung, die Vernunft, selbst zugunsten des „Anderen der Vernunft“ depotenziert wird? Es verschwindet, wie in der Philosophie der Postmoderne, nicht nur das Vernunftsubjekt, sondern auch dessen Möglichkeit, aus Weisheit seine Angelegenheiten zu ordnen. Orientierung sollen nun vermeintlich objektiv gegebene Orientierungsinstanzen geben, auf deren Weisheit Verlass ist, was sich freilich leicht als Trugschluss der endlichen Vernunft erweisen lässt.

  • Philosophisches Seminar 16./17. Nov. 2019

    Wer oder was begründet das Recht? Antworten von der griechischen Antike bis in die Gegenwart

    Thomas-Morus-Akademie/Bensberg

Mit dem Recht scheint es eine einfache Sache zu sein: Es gibt Gesetzbücher, in denen das menschliche Zusammenleben geregelt wird, und Gerichte, die Verstöße dagegen ahnden und dadurch Recht auf Basis allgemeiner Grundsätze sprechen. Doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich dieses Einfache als trügerisch. Denn es stellt sich seit jeher die Frage, warum sich Gerichte, ihre Richter, ja letztlich alle Menschen überhaupt an ein übergeordnetes Recht gebunden fühlen sollten. Woher erhält dieses seine konstitutive Kraft, woher stammen die ihm zugrundeliegenden Normen? In welchem Verhältnis steht das Recht zur Moral oder zur Idee der Menschenrechte?

Ein Blick in die Geistesgeschichte zeigt dabei höchst unterschiedliche Modelle auf, wie die Geltung von Rechten begründet wird. Das Gesetz durch den Willen der Götter oder eines Gottes zu begründen ist neben naturrechtlichen Ansätzen nur eine der klassischen Antworten, die teilweise bis in die Gegenwart fruchtbar geblieben sind. Was aber ist die Grundlage des modernen Rechts heute, welches ohne göttliche Begründung auskommen muss? Wie lässt es sich in einer Zeit schützen, in der Recht und Rechtsstaat weltweit vor Herausforderungen stehen?

  • Vortrag 21. Sept. 2019

    Ordnung aus Freiheit. Vom Ordo-Gedanken des Mittelalters zu Ordnungskonzeptionen der Moderne

    Sektion Pädagogik der Görres-Gesellschaft im Rahmen der 122. Jahrestagung der Görres-Geselllchaft in Paderborn

Ordnung gehört zweifelsohne zu den Grundbegriffen unseres Denkens, nicht nur in der Philosophie, sondern in allen Zweigen der Wissenschaft und in allen Phasen unseres Lebens. Für einen denkerischen Zentralbegriff hat der Ordnungsbegriff freilich eine selten wechselvolle Geschichte hinter sich, die ihn aufgrund der Spannung mit dem Freiheitsbegriff fast bis zum Ausschluss aus dem philosophischen Diskurs geführt hat.

Ich muss daher in einem ersten Kapitel (1.) meiner Ausführungen auf die spezifische Problemgeschichte des Ordnungsbegriffs im philosophischen Diskurs eingehen, die aus der vordergründigen Unvermittelbarkeit von mittelalterlichem Ordnungsdenken und neuzeitlich-modernem Freiheitsdenken resultiert. Erst dann versuche ich mich an einer systematischen Explikation des Ordnungsbegriffs, die Gegenstand eines zweiten Kapitels (2.) sein wird. In einem dritten Kapitel (3.) zeige ich die geistesgeschichtlichen Brüche in der Dialektik von Freiheit und Ordnung auf, die sich als Problemzusammenhang ausgehend von der Antike über das Mittelalter bis in Neuzeit und Moderne hinein rekonstruieren lassen. Diese zumindest schematische Rekonstruktion ist notwendig deshalb, weil sie gleichzeitig die Lösungsstrategie der Vermittlung von Freiheit und Ordnung zugunsten der konstitutiven Funktion von Freiheit für jede Ordnungssetzung zeigt. Diese Lösungsmöglichkeit werde ich in einem vierten Kapitel (4.) unter Zuhilfenahme der transzendentalen Freiheitsphilosophie von Hermann Krings darstellen. Den Fallstricken der Auflösung der Dialektik von Freiheit und Ordnung, etwa der Absolutsetzung der Freiheit auf Kosten der Ordnung oder umgekehrt der Absolutsetzung des Systems auf Kosten der Freiheit, versucht Krings im Anschluss an Kant und Fichte mit einer Philosophie der endlichen Freiheit zu entgegnen. Denn Freiheit als unbedingte, aber immer endliche Freiheit kann sich, folgt man Hermann Krings, als Freiheit nur erhalten, sofern sie sich ordnet. Und Ordnung schlägt nur dann nicht in ein heteronomes Zwangssystem um, sofern sie Ordnung aus Freiheit ist. Die Reflexion dieser Dialektik von Ordnung und Freiheit bzw. System und Freiheit ist das sich durchhaltende Thema seines gesamten Philosophierens.

  • Vortrag 20. Sept. 2019

    Idea and Function of Science in a Globalized World

    Katholische Hochschule NRW, Köln

All of us, I expect, agree that education, knowledge and science are goods that have a special role to play in a globalised world.  Because knowledge und science are the preconditions to make a common interpretation of the world and a common communication about the the natural and human processes in it possible. A reliable common interpretation of the world is on the one hand a prerequisite, but on the other hand also an effect of globalization. It is a precondition for global communication, the globalization of technology, economy and politics. Therefore, a functioning world society will not only be a global economic community, it must be a global knowledge society, a community of understanding.

The precondition for this is to have a common setting of knowledge resources. Therefore, it is very important to deal with the idea of science and its function in a globalized world. Universities as places of science play a decisive role in this setting. Science in the strict or ideal sense is universal and claims reliability for everyone. Scientific knowledge is independent of time and space. It is global in the best sense, never local, we think. And the question arises: Can the concept of glocalization even be applied to the idea of science? My answer will be: Yes! Because the dialectic of global and local aspects plays a decisive role for the function of scientific knowledge and science.

Although scientific knowledge is always global in its claim and science can be regarded as the primordial phenomenon of globalization, the idea of a “glocalization” of knowledge and science is less reflected by science itself. But it can be assumed that “glocalization” also plays a decisive role in the process of generating und disseminating not only of knowledge, but especially of scientific knowledge. Scientific knowledge and science have always been global, because scientific findings claim to be universally valid. But the generation of knowledge is always local, as is its generation, interpretation, application, implementation and utilization. In addition, local is necesarrily the organizational form or institutionalization of science as university, higher education institution or research institute. And real and local are the problems and challenges which science tries to resolve. That is why it has to be said that in a globalized world the function of scientific knowledge and science is well explained only by considering the dialectics of global and local aspects.

In the following, I will briefly address the concept of glocalization in a first approach (1.) explaining the common understanding of glocalisation to find for first starting points to what extent one can speak of a glocalization of knowledge and science.

In a second section (2.) I dedicate myself to the phenomenon of the natural globalization of general knowledge based on experience. The dynamic of the globalization of general experiential knowledge can be described as a non-linear process for which global and local, intrinsic and extrinsic factors play an important role and allow today to speak of a “knowledge society” that is more and more not only a national but also a global one. Therefore, we can speak of a future “global knowledge society”

Thirdly, we have to distinguish between the natural globalisation of experiential knowledge and the globalisation of scientific knowledge or science (3.) Knowledge as scientific knowledge or science can be seen as a shortening of the complex process of normally slow globalization of experiential knowledge. Science is, so to speak, the institutionalized form of the natural process of knowledge globalization. This has advantages and disadvantages. The most important disadvantage is that scientific knowledge as a result is always abstract, global, homogeneous in its claims, but not concrete or local, and therefore not heterogeneous. Therefore, science must first artificially produce and simulate the natural dialectic of global and local. It must make the local to an object of reflection to produce and generate knowledge which has a local impact.

The academic place of this artificial generation of the dialectic of global and local are the higher education institutions and universities.

In conclusion, I would like to show which tasks and challenges science and universities they have to fulfil so that we can speak of them as places of glocalization of knowledge. I do this in form of 7 short theses which intend to be selfevident as result – I hope – of my speech.

  • Publikation August 2019

    Europa und das ``Christliche Abendland``. Zur Unverzichtbarkeit der Unterscheidung dreier Europa-Begriffe

    in: Lebendiges Zeugnis 74/2 (2019), 35-42.

Europa lässt sich vielfältig aussagen. Nur durch Bezug auf eine Pluralität von Europabegriffen machen auch die vielfältig vorkommenden Narrative, in denen von Europa die Rede sein kann, Sinn, weil sie eben nur den Gehalt eines ganz bestimmten Europabegriffs oder einer ganz bestimmten Perspektive auf Europa erzählbar auf den Punkt bringen. Anstößig ist die Möglichkeit einer Pluralität von Europa-Begriffen und Europa-Narrativen freilich für diejenigen, die an einem Einheitsbegriff von Europa festhalten wollen und dies durch ein Einheits- und Exklusivnarrativ zu stützen versuchen. Dieses Narrativ geht von den Wurzeln Europas aus, idealisiert um der wurzelgegründeten Einheitlichkeit der Erzählung willen alle darauf beziehbaren Geschichtsverläufe, zieht daraus dann normative Folgerungen für die Zukunft Europas und desklariert all dies zum Identitätskern Europas und der Europäer. Beispielhaft liegt ein solcher Einheitsbegriff von Europa etwa der 2018 veröffentlichten „Pariser Erklärung“[1] einer Gruppe bedeutender christlicher Denker zugrunde. Allein schon der Titel „Ein Europa, wo(ran) wir glauben können“ lässt erkennen, dass für sie das „wahre Europa“ und das „Christliche Abendland“ Synonyme sind und der Sache nach in eins fallen müssen. Der Gedanke eines „wahren Europa“ ist freilich mehr etwas fürs Herz als für den Verstand. Denn dieser fordert, dass Gedanken zumindest „clare et distincte“ vorgestellt werden können müssen und nicht „confuse et obscure“ sein dürfen, um überhaupt Ausgangs- und Bezugspunkt vernünftiger Überlegungen sein zu können. René Descartes Minimalanforderung an vernünftige Vorstellungen am Beginn der Neuzeit lassen sich jedoch mit keinem Einheitsbegriff von Europas erfüllen, wie dessen realpolitische Wirkungslosigkeit, der beständige Streit darum und erst recht dessen ideologische Instrumentalisierbarkeit vermuten lassen. Aber wie, so ist zu fragen, lässt sich der Europabegriff dann in seiner Vielfalt kohärent aussagen, um dieser geschichtsklitternden Einheitsfalle zu entgehen?

Es lassen sich drei Begriffe von Europa unterscheiden, die alle „clare et distincte“ expliziert werden können: 1. ein geographischer Europabegriff, 2. Europa als ein sinnstiftender religiös-kultureller Referenzbegriff, und 3. ein Europabegriff, der für ein politisches Projekt steht. Die drei Europa-Begriffe sind nicht ineinander überführbar und nicht deckungsgleich verwendbar – weder in ihrem räumlichen Bezug noch in ihrer Genese und erst recht nicht ihrer Zwecksetzung nach.

  • Vortrag/Präsentation 13. Juli 2019

    Der Mensch als ``secundus deus``. Gott, Welt und Mensch in der Perspektive der Renaissance

    Vortrag im Rahmen der Akademietagung ``Genie, Alleskönner ... Dilettant? Zum 500. Todestag von Leonardo da Vinci, Thomas Morus Akademie Bensberg, 13-.7.2019

Der Gedanke des “homo secundus deus”

  • … durchzieht das abendländische Denken von der Antike bis zum 19. Jahrhundert
  • … hat großen Einfluss auf die Idee des gottähnlichen menschlichen Schöpfertums
  • … hat  Wissenschaftslehre, die Geschichtsphilosophie, vor allem aber die Theorie der Literatur und Kunst geformt
  • … ist ab der Renaissance Grundlage des technischen Erfindergeistes
  • … verstummt erst, als der Abstand des endlichen Menschen gegenüber dem unendlichen Gott durch die Idee der Gottgleichheit aufgehoben wird und der Mensch sich selber als „homo deus“ an die Stelle Gottes setzt.

  • Publikation Mai 2019

    ``Auf der Grundlage gemeinsamer Werte`` - Das Narrativ der Wertegemeinschaft und das Ethos der Europäischen Union

    Kirche und Gesellschaft Nr. 460

  • Die Europäische Union – bloß eine „Wertegemeinschaft”?
  • Europa als Kontinent und religiös-kultureller Referenzbegriff
  • Europa als politisches Projekt „ex negativo” einer historischen Schicksalsgemeinschaft
  • Die Europäische Union – ein auf gemeinsam vereinbarten Werten gegründetes politisches Projekt
  • Von der Friedens- und Wirtschafts- zur Wertegemeinschaft
  • Die Werteordnung der Europäischen Union und das Ethos der Europäer
  • Die Europäische Union – eine Heterotopie der Menschenrechte
  • Vortrag 27. Dez. 2018

    Kairos - Lebenskunst im Hier und Jetzt: Eine Spurensuche von der Antike bis zur Gegenwart

    Thomas-Morus-Akademie Bensberg

Auf die Frage an den griechischen Gott Kairos, warum er eine Haarlocke vor der Stirn trage, antwortet dieser: „Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.“ Gelegenheiten beim Schopfe zu packen ist jedoch nicht leicht – wer zu spät kommt, rutscht am kahlgeschorenen Hinterkopf des Gottes ab. Die Gunst wie auch die Kunst des Augenblicks besteht mithin seit der griechischen Antike darin, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein und dann auch noch die richtige Entscheidung zu treffen – eine schwierige Aufgabe, die die praktische Philosophie seit der Antike immer wieder neu und mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchdacht hat, die auch für die Gegenwart interessant sind.

  • Vortrag 18. Okt. 2018

    Wege nach Utopia: Thomas Morus - Beste Staatsverfassung oder verkehrte Welt?

    TU Chemnitz/Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen/VHS CHemnitz

Man könnte geneigt sein, das erstmals 1516 als Privatdruck aufgelegte Werk „Utopia“ von Thomas Morus (1478-1535), das „Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“ handelt, aus dem typischen Habitus eines humanistisch-frühneuzeitlichen Vernunftoptimismus heraus zu deuten. Denn sie ist einerseits Darstellung dessen, was als reale Welt ist, aber nicht sein sollte; einer Welt, die von Inhumanitäten und Ungereimtheiten nur so strotzt. Und andererseits ist sie auch der phantasievolle Entwurf einer anderen, rein vernünftigen Welt, die nicht ist, aber – zumindest teilweise – sein könnte; ob sie auch Wirklichkeit werden sollte, das zu beurteilen überlässt Morus jedoch dem Leser. Er selbst bleibt skeptisch distanziert. Denn auch der Entwurf einer auf sich selbst gestellten Vernunft ist ebenfalls nicht frei von Widersprüchen, Inhumanitäten und Absurditäten, auch wenn diese sich zumindest vernünftig rechtfertigen lassen.

Aktuelles
  • Vortrag 1. September 2018

    Denkformen einer besseren Welt: G.W.F. Hegel und der deutsche Idealismus am Beginn des 19. Jahrhunderts

    Thomas Morus Akademie / Bensberg - Tagung: Denker der Freiheit und der Menschlichkeit: Karl Marx und Friedrich Engels in ihrer Zeit

Der Eröffnungsvortrag zur Akademietagung “Denker der Freiheit und der Menschlichkeit: Karl Marx und Friedrich Engels in ihrer Zeit“ beleuchtet insbesondere die philosophischen Kontexte des frühen Marx (Deutscher Idealismus, G.W.F. Hegel, Links-/Junghegelianer etc., Feuerbach).

  • Vortrag 5. Juni 2018

    Das Ethos Europas. Historische und systematische Perspektiven der Rede von Europa als „Wertegemeinschaft“

    Villa La Collina, Fondazione Konrad Adenauer, Cadenabbia, Italien - Konrad Adenauer Stiftung, Politisches Bildungsforum NRW, Tagungsthema: ``Ist die EU auf dem sozialen Auge blind? ``

Die These des Vortrags lautet: Aufgrund der historischen Katastrophen, die die Europäer erlitten haben, weil sie schicksalhaft in einem gemeinsamen, durch territoriale Nähe konstituierten Boot sitzen, haben sich die Völker Europas aus Not, wenn auch freiwillig entschlossen, sich – gleichsam wie in einer Galeere – auf Gedeih und Verderben aneinander zu ketten, um ihr Schicksal nicht von der Brüchigkeit wechselseitigen Wohlwollens abhängig zu machen,  sondern motiviert von der Furcht gemeinsamen Untergangs zum Wohle aller zu gestalten. Das Europa der EU ist daher als eine Ethos-Gemeinschaft sui generis zu betrachten, nämlich eine Gemeinschaft nicht ex positivo, sondern eine Zweckgemeinschaft ex negativo („Notgemeinschaft“), die gleichwohl motiviert ist von der Hoffnung, dass aus der Not- und Zweckgemeinschaft zunehmend eine Ethos-Gemeinschaft werden. Dieser Ansatz vermeidet es, sich beim Europagedanken an einer zweifelhaft-romantischen retrotopen Utopie des “Christlichen Abendlandes” zu orientieren. Europa ist vielmehr als eine topische Heterotopie zu konzipieren, die die Realisierungsbedingungen eines menschenrechtsorientierten Staatenbundes in den Blick nimmt.

Aktuelles
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