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Einige Überlegungen zum Transformationsertrag der Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen

Vortrag am 21.3.2022 zur Eröffnung der Woche “Ethics and Law: Ethics Week“ der Legal and Social Sciences School at Rafael Landivar University of Guatemala (Law Faculty), 21.-25. März 2022. Vortragstitel: La ética nos transforma. Algunas reflexiones sobre el valor transformador del tratamiento de las cuestiones éticas en los estudios universitarios

0. Einleitung

„Ethik verändert und verwandelt uns“, so lautet das Thema, zu dem ich gebeten wurde, heute am Beginn Ihrer Ethik-Woche einige Gedanken als Philosoph und philosophischer Ethiker beizutragen.

Das Thema ist als These, als Behauptung, formuliert, zu der es auch eine Gegenthese gibt, die dann etwa lauten könnte:

  • Die Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen verändert uns nicht.
  • Sie trägt nichts bei zur Entwicklung weder unserer persönlichen Moralkompetenz noch einer spezifischen Berufs- oder Professionskompetenz.

Denn, so das Argument, unser Gewissen sage uns schon, was richtig oder falsch, gut oder böse ist. Bislang sind wir damit gut durchs Leben gekommen. Und auch für unsere spätere berufliche Tätigkeit wird es doch vollkommen ausreichen, wenn wir uns gewissenhaft an die beruflichen Regeln, die Gesetze und Erkenntnisse halten. Welche Veränderung soll da Ethik bringen?

Würden diese Argumente zutreffen, dann wäre die kommende Ethik-Woche, die heute eröffnet wird, tatsächlich eine vertane Zeit für uns alle.

Diesen Einwänden setze ich meine These entgegen, nämlich dass Ethik diejenigen, die sich mit ihr wie überhaupt mit ethischen Fragestellungen methodisch angemessen und rational anspruchsvoll beschäftigen, sowohl als Person verändert als auch für die Ausübung einer Profession unverzichtbar ist. Ich erläutere meine These in drei Schritten:

  • In einem ersten Schritt schlage ich Ihnen eine einfache Definition von Ethik vor, mit der wir weiterarbeiten können.
  • In einem zweiten Schritt werde ich Ihnen die Komponenten, aus denen sich diese Definition zusammensetzt darlegen und nach der Orientierungs- und Transformationsleistung von Praxis, Ethos und Ethik fragen.
  • Schließlich werde ich in einem dritten Schritt nach den spezifischen ethischen und moralischen Kompetenzen fragen, die wir gleichsam als Transformationsertrag erlangen, wenn wir uns mit Ethik beschäftigen.

1. Was ist Ethik? Eine Definition und ihre Komponenten

Beginn wir mit einer ersten Überlegung. Was meint eigentlich Ethik? Welche Funktion hat sie mit Blick auf unsere moralischen Vorstellungen und unserer Handlungen. Ich schlage eine einfach strukturierte Definition vor, die aber für das Weitere hilfreich sein wird.

Ethik“, so lautet diese Definition, „ist die methodisch geleitete Reflexion über die moralischen Vorstellungen, die unser Handeln leiten“.

Diese Definition hat drei Komponenten:

  • Erstens den Begriff „Ethik“ (die eine methodisch geleitete, rational reflektierende Wissenschaft ist, mit deren Hilfe wir moralische Vorstellungen daraufhin überprüfen können, ob sie als Gut oder Böse beurteilt werden müssen).
  • Zweitens taucht der Begriff der „Moralischen Vorstellungen“ auf, die unser Handeln leiten sollen. Diese bilden in ihrer Gesamtheit das „Ethos“, von denen sich Gruppen leiten lassen. Mit Blick auf Individuen bilden sie deren spezifische individuelle „Moral“ oder deren moralischen Charakter. „Ethos“ und „Moral“ werden in den methodischen Reflexionen der Ethik zum Gegenstand einer Überprüfung gemacht.
  • Schließlich tauchen als dritte Komponente der Definition noch die „Handlungen“ auf, die in ihrer Summe die moralisch relevante „Praxis“ des Menschen bilden. Handeln als Praxis unterscheidet sich von anderen Tätigkeiten wie dem Erkennen oder dem Herstellen signifikant dadurch, dass sie darauf angewiesen ist, von moralischen Ideen, vom Ethos und von Moral unmittelbar geleitet zu werden, soll es überhaupt gelingen können.

2. Die Orientierungsleistung von Praxis, Ethos und Ethik

Wir schauen uns nun in einem zweiten Schritt etwas genauer an, was diese drei Komponenten der Definition bedeuten, um die Orientierungsleistung von Praxis, Ethos bzw. Moral und Ethik und deren Ertrag für die Formung der Person in den Blick nehmen zu können.

2.1 Die Praxis als Tätigsein

Bei der Analyse dessen, was mit Praxis gemeint ist, halte ich mich an die wegweisenden Begriffsdifferenzierungen von Aristoteles als den Urvater aller ethischen Theoriebildung.

Aristoteles geht davon aus, dass alles, was der Mensch tut, einer von drei zielgerichteten Tätigkeitswei­sen zugerechnet werden kann. Diese bezeichnet er als „Theoria“, „Praxis“ und „Poiesis“, als Erkennen, Handeln und Herstellen.

2.1.1 Theoria

Mit „Theoria“ ist eine Tätigkeit gemeint, deren Vollzug die Erkenntnis der Wahrheit zum Ziel hat. Wer „theoretisch“ unterwegs ist, will nicht die Welt verändern, sondern erkennen, was der Fall ist und dies in einem allgemeinen Begriffszusammenhang explizieren.

2.1.2 Poiesis

Ganz anders verhält es sich mit den beiden anderen Tätigkeitsweisen, die Aristoteles „Praxis“ und „Poiesis“ nennt. Ihr Ziel ist nicht die Wirklichkeitserkenntnis in Form allgemeiner Begriffe, sondern die absichtliche Wirklichkeitsveränderung. Sie tun dies aber in einem unterschiedlicher Weise: Mit „Poiesis“ werden alle Vorgänge des Herstellens, Produzierens und Erzeugens im Sinne eines Handelns als Machen und Bewirken bezeichnet. Ziel poietischer Tätigkeiten ist immer das Gelingen eines konkreten Werkes. Wichtig ist dabei nicht, wie und unter welchen Umständen das Werk zustande gekommen ist, dessen Qualität sind daran bemisst, ob es sein Urbild möglichst vollkommen abbildet.

2.1.3 Praxis

Anders bei der „Praxis“ als die dritte, von Aristoteles genannte Tätigkeitsform. Praxis ist durch den Tätigkeitstyp der „Handlung“ gekennzeichnet. Handeln unterscheidet sich vom Herstellen signifikant allein schon dadurch, dass ihr Ziel nicht bloß die Herstellung eines Endproduktes ist, sondern die möglichst gute Gestaltung des Handlungsvollzuges selbst.

1. Allerdings ist dieser Handlungsvollzug in seinem Gelingen permanent gefährdet und das Gelingen steht unter Risiko. Denn Praxis lässt sich nicht wie ein Herstellungsprozess anonymisieren. Sie ist immer personal. Ihr Gelingen ist für das Selbstverständnis eines jeden Menschen viel bedeutsamer als das Gelingen seiner Erkenntnisvollzüge oder seiner Herstellungsprozesse. Personal sind Handlungen nämlich in einem dreifachen Sinn:

  • Zum einen offenbart der Mensch im Handeln (und nur dort), wer er als Person ist und wer er sein will. Ein Urteil über das Handeln einer Person ist daher immer auch ein Urteil über den Handelnden selbst und seine Eigenart. Der Handelnde ist daher auch nicht einfach durch einen anderen Handelnden zu ersetzen, ohne dass die Handlung eine andere würde. Wir können daraus schließen: Was immer Handlungen von Personen beeinflusst, verändert diese Personen selbst.
  • Handeln ist in einem zweiten Sinn personal insofern, als von Handlungen nur dort gesprochen werden kann, wo eine Aktion zwischen mindestens zwei Personen stattfindet. Verhalten kann man sich gegenüber Dingen und der Natur, im moralischen Sinne Handeln nur im Umgang mit anderen Personen. Der Umgang mit Menschen ist daher immer durch Handlungen konstituiert. Gleiches gilt für alle beruflichen Tätigkeiten, die es mit Menschen zu tun haben. Aus dem grundsätzlich sozialen Bezug von Handlungen folgt: Was immer das Handeln beeinflusst, das verändert auch die sozialen Beziehungen eines Menschen, mithin auch diesen selbst.
  • Schließlich ist Praxis auch deswegen personal zu nennen, weil die Person des Handelnden selbst das Werkzeug der Handlung ist. Während Herstellungsvorgänge sich externer Werkzeuge bedienen, hängt die Qualität einer Handlung wesentlich von den Fähigkeiten des Handelnden selbst ab. Auch hier gilt: Neu erlangte Handlungsfähigkeiten, Kompetenzen genannt, verändern und formen auch den Handelnden selbst.

2. Des Weiteren können wir festhalten: Handeln hat kein objektiv vorgegebenes, dem Handeln selbst äußeres Ziel oder Modell, an dem es sich objektiv messen ließe. Es lässt sich daher auch nicht objektiv in dem Sinn überprüfen, dass das Resultat, der Effekt, die Wirkung oder der Erfolg der Handlung allein schon Auskunft über die Qualität der Handlung selbst gibt. Handlungen entziehen sich daher in ihrer Qualität dem äußeren Urteil. Nur der Handelnde selbst kann darüber Auskunft geben. Deshalb kann auch nur er die Verantwortung dafür tragen, auch in dem Sinne, dass nur er als Handelnder eine ehrliche Antwort auf die Frage geben kann: „Warum und mit welchen Gründen hast Du das gemacht?“ Je nachdem, welche Gründe er wählt und woher er sie auch immer nimmt, indem er sie wählt, macht er sie zu seinen. Sie werden Teil seiner Persönlichkeit.

3. Darüber hinaus hat Handeln wie Praxis überhaupt Grenzen der rationalen Planbarkeit. Praxis ist immer hoch situativ und hyperkomplex. Die konkreten Umstände des Handelns sind nur bedingt durchschaubar. Aus einer Analyse der Situation kann daher auch nicht einfach abgeleitet werden, was zu tun ist. Der Handelnde muss daher Orientierung woanders suchen, was jenseits des Konkreten liegt, etwas Allgemeines, das dennoch konkrete Praxis orientiert.

4. Eine solche Orientierung ist für den Handelnden selbst äußerst wichtig, weil – wie wir schon gesehen haben – mit dem Gelingen der Handlungen auch das Selbstverständnis der Person wie das Gelingen seiner personalen Vollzüge eng verbunden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Handlung grundsätzlich unwiederholbar sind, mithin unwiderruflich sind. Es gibt keine zweite Chance, eine misslungene Handlung durch Wiederholung zu reparieren oder ungeschehen zu machen. Eine Handlungssituation ist immer einmalig. Praxis ist daher immer der individuell-konkrete geschichtliche Ernstfall. Gleichzeitig geht jede Handlung als Voraussetzung in die folgende ein und bildet mit dieser einen geschichtlichen Handlungszusammenhang, der sich nicht mehr ungeschehen machen lässt und der auch nicht mehr aus der Biographie eines Menschen gelöscht werden kann. Es gibt daher keine Handlungen unter Vorbehalt und kein Handeln auf Probe. Ist Praxis misslungen, dann bleibt dem Handelnden nur, sie zu bereuen und den von der Handlung Betroffenen um Vergebung zu bitten.

Für uns als sittliche Subjekte ist es daher von größter Bedeutung, das Misslingen unserer Handlungen von vorneherein dadurch zu vermeiden, dass wir versuchen, Stabilität in unsere Handlungsvollzüge dadurch zu bringen, dass wir uns an allgemein akzeptierten Vorstellungen und Ideen des Guten und Richtigen orientieren, diese zu den Bestimmungsgründen unseres Handelns machen und alle Handlungen daraufhin überprüfen, ob sie in Übereinstimmung mit diesen Vorstellungen geschehen. Denn diese sagen uns, was sich bewährt hat, was man tun und unterlassen soll und warum etwas Lob und Tadel verdient. Doch woher nehmen wir solche moralischen Vorstellungen?

2.2 Das Ethos, die Moral des Gewissens und die Moralentwicklung

Wir entnehmen sie zuerst aus dem Ethos, in das wir hineingeboren sind. Denn wir alle sind immer schon mit einem bestimmten Setting von moralischen Vorstellungen, Verhaltensweisen und Handlungsmustern aufgewachsen. Wir finden diese gruppen- und kulturspezifisch vor. Sie sind für uns selbstverständlich, auch weil sie von allen akzeptiert werden. Wir haben uns an sie wie an etwas natürlich Gegebenes gewöhnt. Daher verweisen wir auf diese ethosbezogenen Verhaltensmuster, wenn wir Gründe angeben, warum wir bestimmte Handlungen tun und andere unterlassen. Wenn wir ihnen folgen, werden wir gelobt, und wenn nicht, dann werden wir getadelt, vielleicht sogar sozial ausgeschlossen. Lob und Tadel wirken gleichsam wie Verstärker ihrer ethosbezogenen Geltung.

2.2.1 Das ethosgeleitete Gewissen

Im Laufe der Zeit internalisieren wir daher diese Regeln und machen sie zum Teil unseres Gewissens. Es speichert unsere moralischen Erfahrungen gleichsam ab und überprüft unsere Handlungen kontinuierlich daraufhin, ob sie zum Ertrag der bereits gemachten moralischen Erfahrung kohärent sind. Sind sie das nicht, dann bekommen wir gleichsam automatisch und ohne unser Zutun ein schlechtes Gewissen, ja einen Gewissensbiss.

Freilich, die Geltung dieses durch ein bestimmtes Ethos gebildeten Gewissens ist nicht absolut und unfehlbar. Denn wir reproduzieren in ihm nur das „Ethos“, an was wir uns gewöhnt haben.

2.2.2 Das Ethos

Mit dem griechischen Begriff „Ethos“ ist eigentlich „Stall“ gemeint. Im übertragenen Sinne meint der Begriff dann „Gewöhnung“. Wir haben uns gleichsam an etwas gewöhnt, weil wir uns dort – wie in einem Stall – zuhause und geborgen fühlen, auch weil wir wissen, was Lob und Tadel nach sich zieht.

Ein solches Ethos umfasst alle Verhaltensweisen, die ein gedeihliches Zusammenleben in einer Gruppe reibungslos möglich machen. Es umfasst bestimmte Zielwerte, mit denen die Frage beantwortet wird, was wir gemeinsam erreichen wollen. Das Ethos gibt aber auch die Normen und Institutionen als Formen gemeinsamer sozialer Interaktion vor, deren Einhaltung notwendig ist, um die Zielwerte des Ethos unter spezifischen historischen und kulturellen Bedingungen überhaupt erreichen zu können. Ein solches Ethos umfasst aber auch die wünschenswerten habituellen Werte, mithin Tugenden, die als persönliche Verhaltensweisen nötig sind, um sowohl an den gemeinsamen Zielwerten festzuhalten als auch die entsprechenden institutionellen Werte, Strukturen und Normen hervorzubringen und zu bewahren.

2.2.3 Probleme der Ethosorientierung

Auch wenn der Bezug auf ein Ethos für unsere persönliche Moral stabilisierend wirkt, so bleibt doch ein Problem bestehen: Wir haben dieses Ethos, das uns prägt, nicht selbst gewählt. Unser moralischer Charakter ist eigentlich nur ein Abbild dieses vorgefundenen, wenn auch charakterlich internalisierten Ethos. Ohne Bezug zu diesem verfügen wir über keinen eigenständig erschlossenen, ja autonom gefundenen und universell gültigen Maßstab für unser Handeln. Uns fehlt zudem die Gewissheit, ob das, was wir mit Bezug auf bestimmtes Ethos für gut halten, auch das wirklich Gute ist, das Allgemeingeltung, ja universelle Gültigkeit beanspruchen kann – und zwar für alle Menschen ganz unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ethos und bloß deshalb, weil sie vernunftbegabte sittliche Subjekte sind.

  • Wären wir in unserer Gewissensbildung nur auf das angewiesen, was wir aus einem vorgefundenen Ethos schöpfen, so wären wir vollständig von diesem abhängig. Unser Gewissen wäre im Kern fremdbestimmt.
  • Die Fixierung auf ein bestimmtes Ethos kann sogar in ein moralisches Desaster führen, etwa dann, wenn dieses Ethos selbst moralisch hochproblematisch ist. Dies ist etwa der Fall, wenn es sich in einem dominant korrupten, kriminellen oder gar mafios geprägten Kontext ausbildet.
  • Hinzu kommt, dass Ethos- und Kulturgrenzen immer auch Konfliktgrenzen sind. Gäbe es keine orientiere Perspektive darüber hinaus, wäre friedliche Koexistenz potenziell immer fragil. 
  • Die starke Abhängigkeit der eigenen Moralität von einem bestehenden Ethos ist aber auch dann problematisch, wenn wir uns – wie für freiheitlich-demokratische Gesellschaften typisch – mit einer Pluralität von Lebens- und Ethosformen konfrontiert sehen. Welchem Ethos sollen wir dann folgen?
  • Als zusätzlich problematisch kommt hinzu, dass wir uns heute zunehmend mit einer Vielzahl völlig neuer, durch die technischen oder biomedizinischen Fortschritte gegebenen, teils hochproblematischer Handlungsmöglichkeiten konfrontiert sehen, für die ein bestehendes Ethos noch keine Konfliktlösungsstrategien entwickelt hat. Normkonflikte vervielfältigen sich daher ebenso wie private Gewissenskonflikte, die mit Bezug auf das überkommene Ethos nicht mehr zu lösen sind.

Die Orientierung an einer rein ethosgeleiteten, gleichsam „konventionellen“ Moral erweist sich mithin als problematisch. Den dadurch bedingten Problemen ist nur durch die Orientierung unseres Handelns an einer vernunftgeleiteten Ethik zu entkommen, die Allgemeingeltung dadurch beanspruchen kann, dass sie von universell gültigen Werten geleitet ist.

2.2.4 Moralentwicklung

Tatsächlich hat die Höhe unserer Moralentwicklung etwas mit der Überwindung einer bloß ethosbasierten, „konventionellen“ Moral hin zu einer „post-konventionellen“ autonomen Moral zu tun, die rationalen Prinzipien folgt.

Der US-amerikanische Psychologe Laurence Kohlberg hat gegen Ende des 20. Jahrhunderts die moralische Entwicklung des Menschen zum Gegenstand einer großangelegten Untersuchung gemacht und dabei festgestellt, dass diese idealtypisch in drei Stadien mit jeweils zwei, also insgesamt sechs Stufen verläuft.

Moralentwicklung ist für ihn zunächst ein Aspekt der Sozialisation; ein Prozess der Internalisierung grundlegender kultureller Regeln. Im Laufe der Moralentwicklung emanzipiert sich der Mensch jedoch davon, indem er eine Entwicklung in drei Bereichen durchläuft:

  • Erstens erweitert sich seine soziale Perspektive, weg von einer rein egozentrischen Perspektive hin zur Perspektivenübernahme eines oder mehrerer Menschen.
  • Zweitens wächst seine moralische Selbstbestimmung, indem er lernt, kulturelle Regeln und moralische Normen zu hinterfragen und zu begründen.
  • Und drittens: Die Begründung der Regeln seines Handelns wandelt sich von rein egozentrischen Lust/Unlust-Begründungen zu Begründungen auf Grund von Normen.

Wie gesagt, dieser Prozess vollzieht sich in drei Stadien:

  • In einem ersten Stadium, das Kohlberg ein „präkonventionelles Stadium“ nennt, orientieren sich Kleinkindern bis 5 Jahren in ihrem Handeln an Strafe und Belohnung. Kinder bis 9 Jahre sind in ihrem Handeln bereits von der Einsicht geprägt, dass menschliches Verhalten auf Gegenseitigkeit beruht, auch wenn dieses noch naiv-instrumentell und hedonistisch interpretiert wird.
  • In einem zweiten Stadium, das Kohlberg „konventionelle Stadium“ nennt und das viel Ähnlichkeit mit einer ethosbezogenen Moral hat, befinden sich die meisten Jugendlichen und wahrscheinlich auch noch viele Erwachsene. Menschen in dieser Stufe richten ihr Verhalten ausschließlich nach Regeln ihrer Umwelt ein, die sie verinnerlicht haben. Dieses Stadium ist auf einer ersten Stufe (im Alter zwischen 9 – 13 Jahre) geprägt durch ein hohes Maß an Konformität gegenüber stereotypen Vorstellungen guten Verhaltens. Auf einer zweiten Stufe (zwischen dem 13. bis 16 Lebensjahr) orientieren sich die Individuen an Recht und Ordnung, an Autoritäten und festgelegten Regeln, weil sie aus Überzeugung an der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung orientiert sind.
  • Im autonomen Sinne moralisch agiert das sittliche Subjekt aber erst dann, wenn es ein drittes Stadium erreicht, das Kohlberg das „postkonventionelle Stadium“ nennt. In diesem Stadium werden erstmals gesellschaftliche Regeln infrage gestellt. Sie werden erst nach einer kritischen Prüfung akzeptiert, wenn sie sich am Gedanken der Gerechtigkeit oder Nützlichkeit bewähren. Dies ist die erste Stufe dieses Stadiums, die sich im Idealfall zwischen dem 16. und 21. Lebensjahr abspielt. Man könnte dies eine sozialvertragstheoretische Position nennen. Erst auf einer zweiten Stufe, ab dem 21. Lebensjahr, wird die höchste Stufe der Moralentwicklung erreicht. Das eigene Verhalten wird nun an allgemeingültigen ethischen Prinzipien gemessen, an den universellen Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gegenseitigkeit und Gleichheit, der Menschenrechte und des Respekts vor der Würde der Person. Die Entwicklung dieses letzten Stadiums setzt die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung und zur Urteilsfähigkeit voraus, Fähigkeiten, die sich nur dann entwickeln, wenn die Menschen sich schwierigen, vornehmlich dilemmatischen moralischen Fragen stellen und diese unter Bezug auf ethische Theorien, Prinzipien und Grundsätze zu lösen versuchen. Wer moralisch angemessen urteilt, handelt zwar noch nicht automatisch auch moralisch. Aber die Fähigkeit, ethisch informierte sittliche Urteile zu fällen, ist nach Kohlberg eine wichtige Grundvoraussetzung für moralisches Handeln überhaupt.

2.3 Die Aufgabe der Ethik

Sie merken schon, die höchste Stufe des post-konventionellen Stadiums lässt jede bloß konventionelle Moral hinter sich. Die Menschen erreichen sie nur dann, wenn sie eine eigenständige moralische Urteilskompetenz entwickeln, d.h. wenn sie in der Lage sind, aus eigener Einsicht und mit Bezug auf vernünftige Gründe ihr Handeln autonom zu lenken.

Und genau hier kommt die Ethik ins Spiel, die wir definiert hatten als „die methodisch geleitete Reflexion über die moralischen Vorstellungen, die unser Handeln leiten.“ Denn dort, wo überkommene Lebensweisen, Ethosformen und Institutionen ihre selbstverständliche Geltung verlieren, sucht die Ethik, von der Idee eines sinnvollen menschlichen Lebens geleitet, auf methodischem Wege und ohne letzte Berufung auf politische und religiöse Autoritäten oder auf das von Alters her Gewohnte und Bewährte, nur gestützt auf die Rationalität der Argumente, allgemein gültige Aussagen über das gute und gerechte Handeln. Ethik ist die vernünftige Bemühung darum, einen einsichtigen und allgemeingültigen Maßstab zu finden, an dem wir Handlungen sowie Lebens- und Ethosformen messen und beurteilen können. Ethik findet diesen Maßstab nicht im Ethos, sondern in der menschlichen (praktischen) Vernunft. Als moralisch gut wird dabei qualifiziert, was der praktischen Vernünftigkeit des Menschen entspricht, als moralisch schlecht, was einen Verstoß dagegen darstellt. Aus dieser Haltung heraus überprüft die Ethik die Zielwerte, die institutionellen wie auch die habituellen Werte, die unser Zusammenleben prägen und überprüft deren Verallgemeinerbarkeit. Die Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen, die Diskussion ethischer Theorien und die ethische reflektierte Lösung kritischer Konfliktsituationen tragen dazu bei, unser ethisches Urteil zu schärfen. Wir erlangen dadurch Kompetenzen, die nicht nur für die moralisch angemessene Lenkung unseres Handelns wichtig sind, sondern die vielleicht sogar unverzichtbar dafür sind, dass unser Leben überhaupt gelingt?

Diese Kompetenzen, die uns bereichern und verändern, will ich im Folgenden etwas genauer in den Blick nehmen.

3. „Ethikkompetenz“, „Umsetzungskompetenz““ und „Moralkompetenz“ als Transformationsertrag der Beschäftigung mit Ethik

Insbesondere erlangen wir drei Kompetenzen: 1. „Ethikkompetenz“ auf einer mehr theoretischen Ebene; 2. Umsetzungskompetenz als die Fähigkeit, sittliche Einsichten in Handeln zu überführen, und 3. „Moralkompetenz“, d.h. über ein Setting von persönlichen Haltungen und Dispositionen zu verfügen, die es uns erlauben, im Verbund mit anderen moralisch zu handeln. „Moralkompetenz“ kann als Fähigkeit definiert werden, unter situativ-konkreten Bedingungen tatsächlich moralisch gut und ethisch reflektiert zu handeln.

Bevor ich dies näher ausführe, müssen wir uns zuvor mit dem Verständnis von „Kompetenz“ beschäftigen: Was steckt hinter dem fast schon modischen Begriff „Kompetenz“?

3.1 Das Kompetenzkonzept und seine Dimensionen

Der Begriff Kompetenz wurde bereits 1959 von Robert W. White in die Motivationspsychologie eingeführt. Etwa seit Ende des 20. Jahrhunderts hat der Kompetenzbegriff zunehmend den Begriff der Qualifikation und den der Fertigkeit abgelöst. Um sich den Begriff adäquat zu erschließen, ist aber der Ausgang von seiner lateinischen Bedeutung sinnträchtig. „Competere“ heißt im Lateinischen „zusammentreffen“. „Kompetenz“ besitzt mithin derjenige, bei dem bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus unterschiedlichen Bereichen – wie Intellekt, Wille, Gefühl, intra- und extrapersonale Dimensionen – „zusammentreffen“ und zusammenwirken, so dass es dem Handelnden erfolgreich möglich ist, situations- und kontextadäquat eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Kompetenzen fallen dabei nicht vom Himmel, sondern müssen immer in einem mühsamen Prozess des ganzheitlichen Einübens erworben werden, der zur habitualisierten, mithin auch spontanen Ausübung der Kompetenz führt.

Der deutsche Psychologe Franz Weinert definiert Kompetenz etwas komplizierter als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ Wer sich mit der Ethik schon etwas auskennt, hat schon längst gemerkt, dass wir heute unter „Kompetenz“ ungefähr das gleiche verstehen, was Aristoteles „Tugend“ genannt hat.

Eine Kompetenz lässt sich immer in drei normalerweise unterschiedene Dimensionen entfalten, die in ihr dann zur Einheit kommen:

  • eine Dimension des Wissens;
  • eine Dimension des Könnens, der Umsetzung und Anwendung des Wissens,
  • und eine Dimension der Haltung oder der festen Disposition, Wissen und Können mit einer gewissen Haltung in konkretes, sozialverträgliches Handeln umzusetzen.

Auf dem Hintergrund dieser drei Dimensionen von Kompetenz lässt sich jetzt etwas genauer bestimmen, was „Ethikkompetenz“, „Umsetzungs- und Anwendungskompetenz“ und was „Moralkompetenz“ als Ertrag der Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen heißen kann.

3.2 Die Dimension des Wissens: Ethikkompetenz im Raum der Bildung

In der Dimension des Wissens besteht der Ertrag der Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen in einer besonderen „Ethikkompetenz“. Der Raum, in dem diese erworben wird, ist der Raum der Bildung, der intellektuellen und akademischen Formung im Raum von Hochschule, Vorlesung und Seminar.

Wer „Ethikkompetenz“ erworben hat,

  • weiß was Ethik ist und welche Funktion sie hat;
  • er weiß, warum Handlungen gut oder böse genannt werden und er kann dies argumentativ begründen;
  • er kennt den Unterschied von Ethik und Moral,
  • er kennt unterschiedliche Ethikansätze, deren Geschichte, deren Vorzüge und Einseitigkeiten und kennt deren wichtigste Protagonisten;
  • er kennt sich mit metaethischen Fragen aus: er kann sagen, was ein Imperativ ist, was Tugend bedeutet, was Maximen und Normen sind, was Beweggründe und Motive sind,
  • er ist mit ethischen Fachbegriffen vertraut und kann sie zutreffend bestimmen;
  • er weiß was Ethik von anderen Handlungswissenschaften, etwa dem Recht, unterscheidet;
  • und er weiß, wie man ethisch argumentiert.

Kurzum: Wer über Ethikkompetenz verfügt, ist in der Lage, all dies – wenn auch nicht unbedingt in Perfektion – in einen kohärenten Zusammenhang zu bringen und aus diesem heraus das eigene Denken und Handeln zu orientieren. Er gewinnt damit auch einen distanziert-objektiven Blick dafür, was in konkreten Strukturen eines gegebenen Ethos sich ereignet und wie die dort vorfindlichen Verhaltensmuster und Einstellungen zu deuten und zu bewerten sind.

Überhaupt: Weil wir davon ausgehen können, dass das Gute immer auch das Vernünftige und rational Begründbare ist, und das Böse immer das Unvernünftige und Nicht-kohärent zu Rechtfertigende, ist Ethikkompetenz als Befähigung zur ethischen Rationalität unverzichtbar.

Ethikkompetenz ist aber auch unverzichtbar auch als Voraussetzung jeder wirklichen Verantwortungsübernahme. Denn „Verantwortung“ heißt nichts anderes, als eine rational nachvollziehbare und gut begründete „Antwort“ auf die Frage geben zu können: „Warum hast Du das getan?“ Und diese Antwort muss immer in der Angabe von vernünftigen Gründen bestehen. Ethikkompetenz macht uns diesbezüglich sprach-, diskurs- und argumentationsfähig. Wir können rational rechtfertigen, was wir tun. Und dies verändert unser Selbstverhältnis ebenso wie unser Verhältnis zu den anderen und den Geschehnissen in der Welt.

3.3 Die Dimension des Könnens: Umsetzungs- und Anwendungskompetenz im Erfahrungsraum der Lebenswelt

In der Dimension des Könnens besteht der Ertrag der Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen in einer besonderen Umsetzungs- und Anwendungskompetenz. Der Raum, in dem diese Kompetenzdimension erworben wird, ist der Erfahrungsraum der realen Lebenswelt, wo real zu lösende moralische Probleme, Konflikte und Dilemmata auftauchen und wo man auch moralisch verantwortbare Kompromisse einzugehen lernt. Auch im Studium gibt es solche Erfahrungsräume: z.B. etwa im Rahmen von Praktika, Übungen, Projekten oder etwa bei der Besprechung von Fallbeispielen.

Voraussetzung für die Ausprägung der Anwendungs- und Umsetzungskompetenz ist die Fähigkeit, überhaupt moralische Probleme unter konkreten Bedingungen identifizieren zu können. Auch abstrakte ethische Einsichten darauf anzuwenden und umzusetzen, ist kein leichtes Unterfangen. Weil moralisches Handeln immer in konkreten Lebenskontexten passiert, braucht es zur Umsetzung und Anwendung von Ethik Kulturkompetenz, auch Geschichtskompetenz, zudem die Fähigkeit, mit Menschen aus unterschiedlichsten Herkünften und Situationen angemessen umzugehen. Hier erweist es sich als hilfreich, dass wir immer schon in einem bestimmten Ethos zuhause sind und mit dessen Strategien der Konfliktlösung vertraut sind.

Aufgrund der Ethikkompetenz erscheinen gewohnte Ethos-Situation allerdings in einem anderen Licht. Denn wir können nun allgemeine Erkenntnisse und sittliche Einsichten auf konkrete Situationen gleichsam „herunterbrechen“. Das erfordert Urteilskraft, nämlich die Fähigkeit, Besonderes und Konkretes im Lichte des Allgemeinen zu deuten. Das erfordert aber auch Klugheit als die Fähigkeit, unter gegebenen Umständen die richtigen Mittel zur Erreichung eines Zieles zu finden. Es erfordert ferner Realitätssinn und Möglichkeitssinn, um sachkundig und informiert mit Problemen umgehen zu können und identifizieren zu können, was geboten, was verboten und was erlaubt ist. Insgesamt ist es unverzichtbar, die Dimension des Könnens im Umgang mit der Wirklichkeit nachhaltig einzuüben.

3.4 Die Dimension der Haltung: Moralische Kompetenz und „Moralische Intelligenz“ im Raum persönlicher Tugendhaftigkeit

Die Ausbildung von Wissens-, Könnens-, Umsetzungs- und Anwendungskompetenzen genügen jedoch noch nicht, um im Vollsinne Handlungskompetenz zu erlangen. Es muss eine weitere Kompetenzdimension hinzukommen: eine Dimension der Haltung, der Tugend oder des Charakters, die uns als Individuen erst moralfähig mit Blick auf andere macht. Moralität und moralisches Handeln sind ja, wie schon erwähnt, nie bloß selbstbezüglich, sondern beziehen immer auch die Perspektive der anderen moralischen Mitsubjekte in Betracht. Was das heißt, auch das haben wir bereits im Raum des Ethos erfahren und eingeübt. Wir wissen daher, dass sozial verträgliches Handeln immer auch bestimmte charakterliche Dispositionen zur Voraussetzung hat. Es genügt nicht, wenn wir uns bloß über Ethik unterhalten, wir müssen auch fähig sein, dem anderen in einer Haltung des Respektes und des Wohlwollens zu begegnen.

In der Literatur wird das Thema der „Moralkompetenz“ seit einigen Jahren auch unter dem Titel der „Moralische Intelligenz“ abgehandelt. „Moralische Intelligenz“ ist mehr als „Ethische Kompetenz“, die in der Fähigkeit besteht, Richtiges von Falschem zu unterscheiden. Sie meint vielmehr die Fähigkeit, sich auf der Grundlage von Wertüberzeugungen tatsächlich im Umgang mit anderen auch so zu verhalten, wie man es für richtig hält. Auch diese Fähigkeit muss als Geisteshaltung eingeübt werden. Sie besteht – so das eine Modell – in einer Haltung der Verantwortlichkeit, der Integrität, der Fähigkeit zur Vergebung und zur Empathie. Ein anderes Modell nennt als die sieben wesentlichen Tugenden der moralischen Intelligenz: Einfühlungsvermögen, Gewissensbildung, Selbstbeherrschung, Respekt, Freundlichkeit, Toleranz und Fairness.

Es gibt Untersuchungen, die eindeutig zeigen, dass moralische Intelligenz das wichtigste Schmiermittel für den Zusammenhalt einer Gesellschaft ist, ebenso wie für das Funktionieren von Organisationen wie für unterschiedliche Ethosformen. Die Studien zeigen übrigens auch, dass moralisch intelligente Menschen auch die besseren Führungskräfte sind.

Schluss

Ich habe versucht, Ihnen zu zeigen, dass Ethik diejenigen, die sich mit ihr beschäftigen, tatsächlich verwandelt und verändert, und zwar in dem Sinne, dass wir durch die Beschäftigung mit ihr Kompetenzen erlangen, die nötig sind, um moralisch handlungsfähig zu sein.

Ethikkompetenz brauchen Sie auch für das Gelingen ihres beruflichen Handelns. Sie alle werden einmal Mitglieder einer „Profession“, deren Tätigkeit durch Handlungen (und nicht bloß durch Wissen oder Herstellungsprozesse) konstituiert wird. Mitglied einer „Profession“ wird man, wenn man sich in seinem beruflichen Handeln zur Einhaltung ganz bestimmter, professionsspezifischer Ethik-Standards gleichsam „bekennen“ (lat. professio), wie sie in einem Ethikkodex festgehalten sind. Übrigens nur gehen die Menschen das Risiko ein, ihnen gegenüber als Klienten ihre immer vulnerable Privatheit offenzulegen und ihnen Zugriff auf ihre intimsten Belange zu gewähren.

Ethikkompetenz ist daher eine Schlüsselkompetenz ihres Studiums. Die Ethik wird sie alleine schon dadurch formen und verändern, dass sie sich intellektuell damit beschäftigen. Selbst unser Gewissen bildet sich nicht nur aus Erfahrung, sondern es erfährt auch durch vernünftige Einsicht eine Transformation.

Bildung (educación) heißt, wie sie besser wissen als ich, im Spanischen nicht zufällig auch „formacion“. Da ist der Weg zur „transformacion“ nicht weit. Denn Bildung (formacion) verändert uns nicht nur intellektuell, sondern als ganz Person. Sie ist nicht nur „formación“, sondern immer auch „transformación“.

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